Geschichte der revolutionären Pariser Kommune in den Jahren 1789 bis 1794

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Königs, einen Staatsſtreih zu machen und die National-Verſammlung in die Provinz weit weg von Paris zu verlegen.

Paris war nicht allein die materielle, nein, es war auch die geiſtige Hauptſtadt dex Revolution. Dex Engländer Young, der Frankreich zwei Jahre bereiſt und in den Provinzen überall neben ſhre>li<hem Elend ſchauderhaſte Unwiſſenheit erbli>t hatte, ſagt in ſeiner vom 7. Auguſt 1789 datirten Schrift „Reiſen in Frankreich“: „Hätte ein ſolches Volk wohl jemals eine Revolution gema<ht? Wäre es wohl jemals ſrei geworden? Niemals! Jn Jahrtauſenden niht! Das aufgetlärte Volk von Paris allein hat inmitten von Broſhüren und Publikationen Alles gemacht.“

Chaſſin fügt dieſem Ausſpruch ergänzend und berihtigend hinzu : „Als die Pariſer die Baſtille angriffen und dieſelbe nahmen und ſchleiften , vollzogen ſie nur ein von den Wählern mehrerer Provinzen förmlich ertheiltes Mandat. Zu welchem Grade der Erniedrigung und Niedertraht der Despotismus die franzöſiſhe Nation auh hinabgebracht hatte, war doh ſelbige bis in ihr innerſtes Mark dur<h den Geiſt des achtzehnten Jahrhunderts aufgewühlt und übernahm von vornherein die Verantwortlichkeit für die heldenmüthigen Handlungen des Volkes der Hauptſtadt. Dieſe Wahrheit leuchtet Jedem ein, der aufmerkſam die Beſchlüſſe und Protokolle der Wahlen von 1789 geleſen hat.“

Gleichwie die franzöſiſche Revolution in ihrem Anfange vorwiegend den Charakter einer Bourgeois-Revolution hatte, ſo ſollte au< die neue Munizipalität von Paris das Bourgeois-Gepräge an ſih tragen.

Der erſte Maire von Paris war Jean Sylvain Bailly, ein Pariſer Kind. *) Derſelbe war am 15. September 1736 geboren. Ex wollte zuerſt Maler werden; hierauf verſuchte er ſih, indem ex zwei Trauerſpiele ſchrieb, im Alter von ſe<hszehn Jahren als Dichter. Jn dem einen dieſer Trauerſpiele, welhes „Chlotar“ betitelt iſt, wird ein Pariſer Maire hingerichtet. Da Bailly mit dieſen dichteriſchen Verſuchen wenig Erfolg hatte, ſattelteer um, ſ{<loß ſi< an den Abt de la Caille an und ſtudirte die Aſtronomie. Auf dem Felde der Wiſſenſchaft erlangte er eine große Berühmtheit, {rieb eiue ziemlihe Anzahl hocgeſFäbter Werke aſtronomiſchen, geſchichtlihen und naturwiſſenſchaftlihen Jnhalts und wurde zum Mitglied der drei Akademien ernannt, eine Ehre, die vor ihm nux Fontenelle aufweiſen konnte. Jm Jahre 1789 wurde er zu Paris als Deputirter des dritten Standes nah Verſailles abgeſandt und kam hier an, als noh über die Frage, ob die Abſtimmung nah Ständen oder na< Köpfen exfolgen ſollte, geſtritten wurde. Da er beinahe 53 Jahre ¿uhlte, erhielt er unter Deputirten des dritten Standes, die alle jünger waren, den Vorſiß als Alters-Präſident und wurde ſomit auf einen Poſten gebracht, auf welchem er ſi< ſofort auszuzeichnen vermochte. Als die Kommunen ſih zur National-Verſammlung konſtituirten, wurde Bailly hinwiederum zum Präſidenten der Konſtituante ernaunt. Ex präſidirte in der berühmten Sizung des Ballhauſes, in welcher die Deputirten

: *) Siehe Fr, Arago, Biographie de Bailly, Raris 1852, 4%, — Nouvelle Biographie générale, redigirt von Dr, Höfer, dritter Band.