Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

Kontakt nach außen, aber auch das Baby (I, 2) mit dem offenen Blick, die kleine Raucherin (7, 1) und der Pastillenmann (Fig. 12). Besonders in den Fällen des vollen Kontakts liegt der Akkommodationseinstellung ein starker Wirklichkeitssinn zugrunde,

Dagegen ist das Ungewöhnliche bei Goethe (II, 1-5), daß sich die starke Akkommodation mit beiden kontaktlockernden Elementen, dem offenen Blick bei parallelen Augachsen verbindet. Dieses nach außen ins Unendliche Schauen verstärkt in uns den Eindruck, daß Goethe-gewohnheits‚mäßig mit seinen Bildern immer wieder auf die Außenwelt zurückgriff und diese selber ins Unendliche projizierte; dies vollendet erst den Eindruck der treuen Weltgestaltung. Goethe war und blieb nicht so sehr ein Seher als ein Schauer (das ist einer der wichtigsten Unterschiede zwischen ihm und Schiller); von der Außenwelt kam er, ohne ihre Formen fühlte er sich unsicher, an ihnen gestaltete sich seine Sprache. Goethe sagt: „Schon mein Schauen ist Denken.“ Und: „ Jedes - Ansehen geht über in eine Betrachtung, jede Betrachtung in ein Sinnen, jedes Sinnen in ein Verknüpfen, und so kann man sagen, daß wir schon bei jedem aufmerksamen Blick in die Welt theoretisieren.“

Nun ist zu bedenken, daß wir ja nicht die Augenlinse direkt beobachten, sondern nur die Wölbung der Hornhaut und auch diese nicht durch Messung, sondern durch indirekte Merkmale, z. B. durch die Spiegelbildchen und Schlaglichter, die auf ihr auftauchen. Die Akkommodation der Linse ist nun als unwillkürliche Bewegung ebenso wie die der Pupille weitgehend mit der konvergenten Einstellung der Augachsen gekoppelt. Wir können lesen, ohne jede Aufmerksamkeit für das, was wir lesen; in diesem Fall ist die Krümmung der Linse sicherlich nicht wesentlich anders, als wenn wir die Buchstaben genau fixieren. In gewissem, wenn auch noch so

geringem Maß wird aber auch die Sehschärfe durch Unauf-

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