Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

1. Der gerade Blick

Der Kontakt verlangt den auf den Gegenstand gerichteten Blick. Hiebei ist der verstärkte Kontaktblick, der auf Menschen gerichtete, auf Porträts häufig durch den Blick auf den Beschauer des Bildes zum Ausdruck gebracht. Wer gewohnt ist, Menschen ins Auge zu sehen, wird beispielsweise auch in der aus dem Fluß des Lebens herausgelösten Situation des Photographiertwerdens den künftigen Beschauer des Bildes ins Auge fassen. Unser Probemodell Michaela (IV, 1) ist, zum Ausdruck ihrer klaren Beziehung zu den Menschen, gewohnt, ihnen klar und offen ins Auge zu sehen; die kleine Raucherin (7, 1) verbindet ihren Schelmenstreich mit einem herzgewinnenden Blick; Frau Montessori (IV, 8) herrscht durch Güte und Freundlichkeit; diese Herrschaft bedient sich des Suggestivblicks beim Politiker Baldwin (XIV, 5); das kokette Mädchen (XT, 3) richtet ihren Blick gerade auf den Partner, und ebenso erfordert das Angriffsmoment im schadenfrohen Lachen des Pastillenmannes (Fig. 12) und im pfiffigen Schmunzeln des Strotters (XVI, 5) die gerade Blickrichtung zum Beschauer hin. Feindselig wird dieser Angriffskontakt bei Al Capone (XVI, 8), obwohl der Schielblick hier die volle Richtungsbestimmtheit nicht aufkommen läßt.

Gerader Blick liegt auch vor, wenn der Dargestellte in seitlicher Haltung gerade vor sich hinblickt, doch ist hier der Kontakt mit den Mitmenschen schon irgendwie gelockert. Diese Blickrichtung bedeutet dann entweder losere soziale Beziehungen oder bloßen Kontakt mit Gegenständen (Unentschlossen I, 3) oder die Hinwendung zu einer mehr innerlichen Phantasie- und Gefühlswelt (Michaela IV, 2 und 3; Richard Wagner Fig. 18).

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