Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

dungsfähigkeit (Shakespeare II, 7), die entweder nach der Seite der Empfindlichkeit (Tom XIV, 6) oder der Empfänglichkeit (Spinoza Fig. 25) pendeln kann. Jedenfalls sprechen sie für ein Überwiegen der Empfindung über den Willen, wie es z. B. dem Kindesalter angemessen ist (Baby I, 2), bis zur Willenlosigkeit überhaupt (Taglöhner XVI, 4). Begreiflicherweise spricht uns aus ihnen besonders eine sinnlich-erotische Empfänglichkeit an (Cosima Wagner Fig. 20; Byron Fig. 13, 14; Darling IV, 4).

Hingegen sollten dünne Lippen für uns immer eingekniffene Lippen bedeuten; sie drücken ein Überwiegen des Willens über die Empfindung aus (Michaela I V, 1; Frau Montessori IV, 8; Lina IV,.?7), wie wir schon in der Einleitung hörten, als wir uns nach den Ausdrucksbedingungen für einen willensstarken Menschen fragten, der sich vom Genuß nicht überwältigen läßt. Diese Willensstärke kann Positiven Inhalt haben (Robert Blum III, 5), aber auch bis zur Empfindungslosigkeit (Rockefeller Fig. 28) gehen; es kann jedoch auch ein aktueller Anlaß eine besondere Willenseinstellung notwendig machen (Schmeling XII, 8), wobei dann das Einkneifen der Lippen als Ausdrucksbewegung besonders gut sichtbar wird.

Denn Ausdruck ist Handlung, sagten wir, Leider machen uns gerade volle oder dünne Lippen unsre Aufgabe nicht leicht. Denn vielfach treffen wir volle Lippen an, zu deren Entstehung ihr Träger nichts beigetragen hat, weil sie ihm angeboren sind (Tom XIV, 6), oft sogar rassenmäßig angeboren; Neger (Schwarzer Arbeitsloser XVI, 2) haben wulstigere Lippen als andere Rassen. Dürfen wir die Lippen da nach derselben Tabellenzuordnung diagnostizieren wie die Lippeneinstellung als Ergebnis einer Ausdrucksbewegung? Wir können uns ganz gut denken, daß eben die Neger als Rasse besonders stark sinnlich empfinden und daß eben dieser Charakterzug ihre ausgestülpten Lippen erzeugt habe,

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