Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

an- die Erörterung im einzelnen und betrachten zuerst die einfachen vertikalen Lippenspannungen, dann ‘die Seitenspannungen der Mundwinkel und zuletzt die kombinierten und antagonistischen Spannungen des Mundes im ganzen.

I. Die vertikalen Lippenspannungen (Tabelle 10)

Die Lippen stellen einen Muskel dar, den Ringmuskel des Mundes, und dienen zu dessen Verschluß, indem sie sich aufeinanderlegen und die horizontale Mundspalte bilden. Diese Bewegung steht im Dienste des Willens. Außerdem aber ist die Lippe ein Sinnes-, ein Tastorgan; ihre Ausstülpung können wir beliebig vergrößern, und zwar an der Oberlippe durch den Zug des Hebers der Oberlippe und des Nasenflügels, den wir schon bei der Rümpfstellung der Nase kennenlernten, an der Unterlippe durch den Abwärtszug ihres Quadratmuskels; auch sind die verschiedenen Ringfaserbündel des Lippenmuskels unabhängig voneinander beweglich: wenn wir die inneren stärker kontrahieren, kneifen wir die Lippen ein, wenn wir aber die äußeren, vom Lippenrande entfernteren, zusammenziehen, dann stülpen wir die Lippen aus. Ohne die Gegenwirkung des Lippenhebers und des Quadratus der Unterlippe können die Lippen fest aufeinandergepreßt werden, während sie sonst nur lose aufeinanderliegen oder, gegebenenfalls unter Mithilfe anderer Muskeln, geöffnet sind. Wir haben also hier wieder zwei Ausdrucksrubriken zu unterscheiden, die Fülle der Lippen und den Lippenschluß.

1. Fülle der Lippen

Volle Lippen heißen in erster Linie ausgestülpte Lippen und wir Ausdrucksforscher sollten eigentlich gar nichts an‘ deres darunter verstehen; sie deuten auf große Empfin-

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