Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

ten Aussenspannung, die zu einer starken Gegensatzspannung von Willen und Empfindung hinzutritt, lernten wir zuerst am Auge Shakespeares; und bei ihm begegnen wir dem selben Befund auf dem mittleren der drei Bilder (II,8) auch am Munde wieder. Auch hier volle, gut geschlossene Lippen mit sehr entschiedener Mundwinkelspannung. Nur überwiegt gegenüber Spinoza in vertikaler Richtung sowohl bei den Augen wie beim Munde etwas mehr die Offnungsspannung, also der Bestandteil der sinnlichen Empfindung, über die abdeckenden Zeichen der denkerischen Konzentration. Eben dies macht einen der wesentlichen Unterschiede zwischen dem Dichter Shakespeare und dem Denker Spinoza aus.

Die Murrstellung

Diese Stellung besteht in einem triebhaft verstärkten Herunterziehen der Mundwinkel. Sie deutet die Verhängtheit einer sich mürrisch von der Welt absondernden Angriffsnatur an und tritt in dieser Form schon bei den Raubtieren auf (Löwe Fig. 30). Der Unlustcharakter der abwärts gesenkten Mundwinkel bleibt gewiß bestehen, aber er wird feindselig nach außen projiziert, verwandelt sich aus Leiden oder Selbstquälerei in Bösartigkeit. Und auch hier, ja hier am deutlichsten und zweifelsfreiesten, bleibt als sichtbares Zeichen auch bei anderen Ausdrucksstellungen eine physiognomische Falte, und zwar in direkter Verlängerung der abwärts gekrümmten Mundwinkel (Auber VI, ?, Charcot XI, 1, Paganini IX, 5).

Auch die verlängerte Mundfurche kann in ihrer Form und damit in ihrer Ausdrucksbedeutung schwanken. Wo nur einmal gelegentlich mit zwar starken Spannungsanzeichen, aber ohne dauernde Formänderung der Mundspalte oder Furchenbildung die Mundwinkel abwärts zeigen, da liegt eine mürrische Anwandlung vor wie etwa Haustyrannei bei einem sonst gutmütigen Menschen (Knopp Fig. 8). Handelt

168