Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

tiefe Fletschfalte!) wird als Reaktionserscheinung seine Mitleidsmoral entgegengestellt und das Selbstporträt VII, 2 geht in VII, 1 über. Bei Schopenhauer ist eine Angriffsstellung zu überwinden, im Selbstporträt eine Abwehrstellung; deren negative Abgedecktheit macht in dem Bild der Selbstüberwindung (VII, 1) einer fast vollkommenen Entspannung in seitlicher Richtung Platz (Parallelstellung der Augachsen, Seitwärtsrichtung der Mundwinkel); insbesondere die Mundfurchen sind entspannt, die abwärtsgerichtete ist kaum zu sehen, die aufwärtsgerichtete (der untere Teil der Nasenlippenfalte) bleibt in zarter Andeutung bestehen, auch ihre Entspannung wird aber offenkundig, wenn man sie mit der Spannung auf dem manischen Bild (VII, 3) vergleicht. Auch in vertikaler Richtung ist die Einstellung sehr offen, nur die senkrechten Stirnfalten und der feste Lippenschluß gemahnen noch an die Opfer des Kampfes.

Auch als wesentlichen Bestandteil von physiognomischer Dauerhaltung findet man den Mittelteil der Lippen spannungsgeladener als die Mundwinkel. Sind dabei die Einwärtsspannungen an den Lippen besonders auffällig, so bedeutet das ein Überwiegen von Willenskräften über die Angriffsbereitschaft, also soziale Hilfsbereitschaft und Güte (Rosl IV, 5; Whitman XIII, 1; Emerson VIII, 4). Macht sich das Verhältnis aber eher an einer Schwäche der Spannung im Wangengelände bemerkbar, so ist es negativ zu deuten, als bloße Gutmütigkeit, aber auch Mangel an Leidenschaft (der Philosoph Beneke VI, 3).

Auch der Unterschied von Auswärts- und Einwärtsspannung an den Mundwinkeln kann erblich erstarren als halbkonstitutionell angeborene Körperform, als großer oder als kleiner Mund, deren physiognomische Bedeutung, soweit eine solche diesem Ausdrucksmerkmal:. zu geben mit den schon wiederholt geäußerten Vorbehalten gestattet ist, ganz ähnlich wäre den durch die Ausdrucksbewegungen selbst

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