Gesicht und Charakter : Handbuch der praktischen Charakterdeutung : mit zahlreichen Kunstdrucktafeln, Zeichnungen und Bildtabellen

trachten, solange als möglich die objektive Methode zu befolgen, können wir über die einfachen Ausdruckszüge ruhig abstimmen lassen. Aber je höher in den Kombinationen des Ausdrucks, desto verschiedenwertiger werden die Stimmen, und an oberster Stelle mag wohl die Statistik einer mindestens ebenbürtigen subjektiven Instanz nicht entraten. Den Hochmut einer absoluten Selbstbeschränkung gaben wir ja schon auf, als wir neben den facheigenen Methoden der Ausdrucksphysiognomik noch andre Hilfsmittel der Ausdruckslehre und zuletzt der Charakterkunde überhaupt zurate zogen.

So machen wir auch hier nicht halt, sondern besinnen uns auf unseren Ausgangspunkt, ein altes Wort ins Positive variierend: vom Leben sind wir genommen, zum Leben kehren wir zurück. Wem die Physiognomik bloß eine allenfalls exakte Wissenschaft ist, der verlasse uns hier, dem bloßen Fachgelehrten haben wir genug gesagt und wenden uns nun an den Menschen. Nicht aus müßiger Neugier und auch nicht aus bloßer Wißbegierde haben wir uns auf die Erforschung der Spuren in den Gesichtszügen geworfen, sondern aus dem leidenschaftlichen Verlangen, einige von den Schranken zu durchbrechen, die die Seele von der Seele, die Außenseite von der Innenseite, ja uns von uns selber trennen. Kein Sport auch, nur wieder jener sehnsüchtige Drang der Werbung um den Kontakt mit denen, die der Mensch braucht, um nicht allein zu sein, kann jenen Eingriff ins Privatleben entschuldigen, mit welchem die Durchschauungskunst dem Nebenmenschen zu nahe tritt. Irgendeinmal wird uns die Welt zu eng, wir finden uns in den Bezirk unsres Ich eingesperrt und suchen, ruhelos wie der fliegende Holländer, die Seele, die uns erlöse.

Es wird uns nicht wundern, daß wir auch hier wieder auf unser altvertrautes Wort vom Kontakt stoßen. Wir lernten bei unsrer kurzen Betrachtung der physiognomischen Typen,

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