In jedes Menschen Gesichte steht seine Geschichte : Lehrbuch der Physiognomie : mit 140 Abbildungen

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meiner Hand warm geworden ijt und in deiner falt wird, bleibt immer dasjelbe Goldjtüd." Hier ilt es ebenjo. Was in Lavaters Hand nod falt war, in Piderit3 warm wurde, bleibt dennod) derjelbe Schat. Die Mimik ijt die Lehre von den Gefichtsbewegungen, ihre Deutung fällt in das Gebiet der Phyjiognomit, an die das Volk, im jiheren Vorgefühl der endgültigen einmandfreien Löjung, Hofmungsfreudig zwei Jahrtaufende glaubte. Daß die Propheten diefer Lehre in faljchen Bahnen mandelten und das Alphabet in verbundenen und unverbundenen Augenbrauen, in jhmwarzen und blauen Augen, diden und dünnen Lippen, mageren und fleifhigen Ohren, kurzen und langen Mundjpalten zu finden glaubten, ijt zwar bedauerlid, Doch fein Unlaß, die Sadje jelbjt gering zu jchägen. Sclieflid muß jeder, au nad) der Lüdenlofeiten Erforfhung der mimifchen Gejete, zur Charafterologie greifen, will man die Brüde zur Praris finden. ES liegt jedoh im Wefen des Arztes — und Widerit wie Hughes jind Werzte — das zu verpönen, was lange in Laienhänden lag, womit zeitweie Wahrjager und Scharlatane fi) bejchäftigten. Sie verfchonen fein Gebiet; deshalb von der Phyfiognomit abzurüden ift abjurd und jpätere Gejchlechter merden dieje Stleinigfeit lachend übergehen, wenn jie Piderits Verdienfte noch lange feiern werden.

Phyfiognomif und Mimif gehören zujammen, jie bilden ein Ganzes wie Heft und Klinge beim Mefjer. Der Nlame it Schall und Raud. Das Volk juht den Kern einer Sade, und wenn PBiderit au fein Buch für die Phyjiognomik gejchrieben haben mill, jo weiß man doc), daß jeine bahnbrechende Yorihung viel wertvolle Begründungen für das bradıte, was die Völker aller Zeiten juchten, für: die Kunft, den Charakter des Dienjchen aus den Gefichtszügen zu erfennen.

Die Gefihtszüge beftehen aus fonjtanten (feiten) und Eorrelativen (wechjelnden) Merkmalen. Zu den erjten gehören Die unbemweglichen Teile des Gejichts, wie die Stirn, die Nlajfe, das Kinn und die Ohren, zu den legteren die beweglichen, das Auge, Der Mund, die Wangenteile und Gtirnhaut. Wie aber in den Crjcheinungen des Lebens der Körperzuftand von Geelenzuftand und umgefehrt der Seelenzuftand vom Körperzujtand abhängig ift, ift auch der Unterfchied in der jeweiligen Phyjiognomie,