Marxismus und Darwinismus

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waren dieſe Klaſſen damit nicht ſelbſt beſiegt; eine materielle Gewalt kann nur dur materielle Gewalt geſtürzt werden, aber auh geiſtige Waffen werden zu materiellen Machtmitteln. Deshalb legte das aufſteigende Bürgertum ſo hohen Wert auf die Naturwiſſenſchaft.

Hier fam nun der Darwinismus gerade zur reten Zeit. Denn ſ{limmer als irgendein anderes Ergebnis der Wiſſenſchaft ſtand er im Widerſpruch zu den bibliſchen Texten; die tieriſche Abſtammung des Menſchen zerſtörte die Grundlage der hriſtlichen Dogmen. Deshalb wurde der Darwinismus ſofort von der Bourgeoiſie mit Eifer aufgegriffen.

Nicht in England. Daran ſehen wir gerade, wie wichtig für ſeine Verbreitung ſeine Rolle im Klaſſenkampf war. Jn England gab es keine Klaſſe, die Intereſſe daran hatte, ihn als Waffe in einem Klaſſenkampfe zu benußen. Jn England herrſchte die Bourgeoiſie ſhon ſeit einigen Jahrhunderten, und ſeitdem ſie einſt ein Kompromiß mit Königtum und Kirche geſchloſſen hatte, brachte ſie ihnen eine traditionelle Ehrfurcht dar. Sie hatte als Maſſe kein einziges Intereſſe daran, die Lehren der Religion anzugreifen oder zu zerſtören. Deshalb wurde die neue Theorie in England zwar viel geleſen, aber ſie regte keinen auf. Sie blieb eine Gelehrtentheorie, ohne große praktiſhe Bedeutung. Darwin ſelbſt betrachtete ſie als ſolche und er vermied abſichtlih, ſeine Theorie ſofort auf die Menſchen anzuwenden, um das religiöſe Vorurteil niht zu verlezen. Nur ſehr zögernd entſchied er ſih ſpäter dazu, als andere dieſen Schritt ſhon längſt gemacht hatten. Jn einem Brief an Hae>el beklagte er ſi< auh darüber, daß ſeine Theorie auf ſoviel Vorurteil und Gleichgültigkeit ſtoße, daß er niht erwartete, ihren vollen Durchbruch ſelbſt no< zu erleben.

Aber in Deutſchland, konnte Haeckel ihm antworten, war es ganz anders; da fand ſie begeiſterte Aufnahme. Jn Deutſchland ſchi>te ſih gerade zur Zeit, als Darwins Theorie erſchien, die Bourgeoiſie zu einem neuen Kampf gegen Abſolutismus und Junkerherrſchaft an. An der Spitze des liberalen Bürgertums ſtand die Intelligenz, die ſi<h no< ſtärker als das Bürgertum ſelbſt durh die rückſtändigen Verhältniſſe eingeengt fühlte und den geiſtigen Kampf mit um ſo größerem Lärm führen mußte, je zaghafter die Bourgeoiſie ſih im politiſchen Kampf zeigte. Ernſt Hae>el, ein bedeutender Forſcher, aber noh mehr eine kühne Kämpfernatur, zog in ſeinem Werk „Natürliche Schöpfungsgeſchichte“ aus dem Darwinismus ſofort die weitgehendſten, gegen die Religion gerichteten Konſequenzen. So fand die Darwinſche Lehre hier bald in weiten Kreiſen eine begeiſterte Aufnahme, der eine glei<h ſcharfe Bekämpfung von der anderen Seite gegenüberſtand. Und derſelbe Kampf ging au< in anderen Ländern auf dem Kontinent vor ſih. Ueberall hatte das fortſchrittliche liberale Bürgertum gegen reaktionäre Gewalten zu kämpfen, die entweder die Herrſchaft innehatten, oder, auf die religiöſen kleinbürgerlihen Klaſſen geſtüßt, ſie zu erobern ſuhten. Unter ſolchen Umſtänden wurde auh der wiſſenſchaſtlihe Kampf mit der Leidenſchaft eines Klaſſenkampfes geführt. Die Schriſten, die für und wider den Darwinismus erſchienen, tragen daher, troß der wiſſenſchaftlihen Namen ihrer Autoren, den Charakter geſellſchaftliher Streitſchriften. Mit dem