Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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“von dex Garde des Landgrafen kam zu Tiſche, ein ſehr ſchöner Menſch, der auth liebenswürdig zu ſein ſcheint, und ein Fräulein von Heiniß, eine ganz wunderhübſche Perſon. Das Dinex war, wie alle unſere Diners hier, unendlih heiter und animirt. Der General Ledebux war der Einzige, der dies nicht zu finden ſchien; aber dafür machte dex Oberpoſtmeiſter unſer Entzücken aus und ſchien glücſſelig über dieſe Rolle. Dieſer Mann iſ dex lächerlichſte Sterbliche, den ih ſeit lange geſehen habe, ſpricht ein entſeßliches Fran-= zöſiſh und hat ſih in den Kopf geſeßt, unter keiner Bedingung ein deutſches Wort zu reden. Abends gaben die Herren Studenten uns ein Concert, das ganz ausgezeichnet gut war. Nachhex ward im Garten foupirt und Blinde-Kuh geſpielt bis um Mitternacht; man ſang zum Schluß no<h Duette und unterhielt ſich herrlich. 1. Juni.

Während des Frühſtücks mit den Prinzeſſinnen brachte man mix einen Brief mit der Unterſchrift des Poſtmeiſters ; aber troy des haarſträubenden Franzöſiſch, in dem er geſchrieben wax, merkte ih doh bald, daß einer unſerer Cavaliere ihn geſchrieben haben mußte. Jh antwortete ſogleich, aber auf Deutſch, und von den Prinzeſſinnen ſowohl als uns Andexen gab jede ihren Senf dazu. Nach vieler Mühe ent-= deckten wix, daß Herr von Frankenberg der gliüt>liche Autor des Poſtmeiſterbriefes war, und dieſem ward die Antwort denn auh zugeſchi>t. Nach dem Diner wurde Commers geſpielt und um 5 Uhr fuhren wix nah Harpke. Auf dem Wege ereilte uns ein furchtbares Geivitter, was uns auch in Harpke noh eine Stunde lang im Hauſe feſthielt. Endlich

ließ dex Regen nach, wir gingen in den Garten und dann QS