Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

— 100 —

“wunde in dem Gartenſaal eine große Collation ſervirt. Man

war ſehr heiter, fuhr um 8 Uhr nah der Stadt zurüc>, ſoupixte, und ſpielte dann kleine Geſellſchafts\piele bis 1 Uhr Nachts. Kaum waren wir in unſeren Zimmern, als uns ein wunderhübſches Ständchen überraſchte, das ein Student für uns beſtellt hatte. Von der Muſik angelo>t, kamen die Herren zu uns herüber und tranken noh bei uns Thee; die Serenade dauerte bis 3 Uhr Morgens und war fo reizend, daß Niemand daran dachte, zu Bette zu gehen und wix mit Entzücken der Muſik zuhörten. 2. Juni.

Während ih mih no< ankleidete, kam ſchon die Divina zu: mix in mein Zimmer, mi<h zum Frühſtück zu holen und dann fuhren joir nah L., wo die Herzogin von Braunſchweig die Prinzeſſin Charlotte erwartete. Um 12 Uhr waren wirx dort, fanden die Herzogin mit einer Dame und drei Herren ihres Gefolges und um 1 Uhr wurde zu Tiſch gegangen. Die Herzogin bat die Divina, ſie ſolle doh mit nah Braunſchweig fommen, und nah einigem Zögern ließ dieſe ſih wirklich hierzu bereden, aber mit der Bedingung, daß ſie nur dort ſoupiren und in der Nacht oder früh Morgen wieder abreiſen werde. Jh war voller Freuden über dieſen Plan, da ih ſo viel Bekannte in Braunſchweig habe; und um 3 Uhr Nachmittags ſeßten wir uns wieder in den Wagen und waren, troß dex entſeßlichſten Wege, um 6 Uhr Abends glüklih in Braunſchweig. Dex Herzog, dex Landgraf und dex ganze Hof freuten ſih ſehr, uns zu ſehen. Die Prinzeſſinnen zogen ſich in ihre Gemächer zurü> und wix Anderen gingen mit Allem, was es an heiterſten und liebenswiürdigſten Leuten am. Hofe gab, zuſammen den Thee bei der S. zu trinken.