Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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geregt und erzürnt über den General Golß, der ein Commando bekommen ſollte, abex ſolche Anſprüche macht, daß man fich über ihn ärgern muß.

20, Januar.

Oberſt Wilſon brachte mix eine Copir-Maſchine für die Königin, die ſehr hübſch und nüßlich iſt. Er iſt ſehr preußiſch geſinnt. Wir bekamen die Nachricht, daß der General Colbert eine Unterredung mit dem König bei Königsberg verlange und daß man eine Amneſtie anbiete. Die Sache iſ gewiß niht wahr, die Nachricht kommt nicht auf direktem Wege und der König iſ mit Recht ſehr erzürnt über. dies Gerücht.

Ein Feldjäger, der aus Schleſien kommt, brachte mix zu meiner großen Freude einen Brief meiner Tochter. Sthleſien iſ gebrandſchaßt und Breslau belagert worden und hat ſich na<h viex Wochen des Widerſtandes ergeben. Der gute General Thile hatte dort den Oberbefehl.

J<h fuhr mit der Königin ſpazieren, ſie gewinnt doh etwas an Kräften. Die Prinzeß Wilhelm kam heute an mit ihren Damen, der Prinz kam niht mit, ex iſt bei ſeinem Commando geblieben.

21. Januar.

Die Königin iſt ſehr in Sorge um die Schadow, ihre Kammexfrau, die ſchon ſeit einigex Zeit krank iſ und wohl auch das Nervenfiebex hat. Ein däniſches Schiff ſollte heute auslaufen; die Königin fuhx mit der Prinzeß Wilhelm und mix hin, um es zu ſehen; wir mußten ausſteigen und einige Schritte, bis zum Leuchtthurm, zu Fuß gehen. Es war eine furchtbare Kälte; das Schiff ſtieß vom Lande, aber blieb bald darauf auf einer Sandbank ſißen. Als wix nah Hauſe kamen wollte der König, die Königin folle verſuchen

Am Preußiſchen Hofe. 2, Aufl. 18