Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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Zum Thee immer allein mit dex Prinzeß Wilhelm und

dex Königin in deren Zimmer. 29. Januar.

Zu Tiſch drei Kurländer, die heute angekommen ſind und Jackſon, der morgen nah London geht.

Die Ruſſen ſind angegriffen worden und haben den Feind zurückgeworfen; aber ſie haben viel Leute verloren. Ein ruſſiſcher General iſ geblieben, ein franzöſiſcher General zu den Ruſſen deſertixt; man wird ſich ſeiner ſofort ent= ledigen, da man fürchtet er könne ein Spion ſein. Es heißt, Napoleon ſei krank, ih glaube es niht. Graf Lehndorff hat einen franzöſiſchen General gefangen genommen und unſere ſ<waxzen Huſaren haben mehrere Kanonen erbeutet; daz gegen hat Brieg in Schleſien kapitulixt und die Bayern und Württemberger ſollen fur<htbar plündern, brandſchaßen und Alles verwüſten, wo ſie hinkommen. Es ſcheint als wolle die Vorſehung uns ganz verlaſſen; aber dex gere<hte Gott wird dieſem Unweſen doh no< ein Ziel ſehen! —

30, Januar.

Jh fuhr mit der Königin ſpazieren. Es geht ihr leid= li< und wie liebenswürdig iſt ſie! Sie iſt ein Engel, aber ah! ſie iſ unausſpre<li< trauxig und unglü>lih; Gott allein weiß was ſie leidet! — Abends war ih, wie immer, mit der Prinzeß Wilhelm bei dex Königin, dex König und

alle Uebrigen trinken unten im Salon Thee. 31. Januar.

Wir hatten Nachrichten von Leſtocq, daß die Franzoſen zurüégehen. Dex Hauptmann von Alvensleben hat einen franzöſiſchen General, ſeine zwei Adjutanten und 30 Soldaten gefangen genommen. Man ſagt jeht wieder, Napoleon ſei frank; wenn ex ſtürbe, das wäre ein Glü> für die Welt!