Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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Wix hatten in Strelno übernachtet, wo wir die Equi= pagen des Kaiſers fanden und in dieſen fuhren wir un 11 Uhr Vormittags weiter, der König mit dex Königin im erſten, Gräfin Moltke und ih im zweiten Wagen. Es iſt ſ<wer, die Schönheit dieſer Anfahrt zu ſchildern, der ganze Weg und die prächtigen Landhäuſer rings umher, und doch ließ fi< Alles wegen des tiefen Schnees, der die Gegend bedecfte, gewiſſermaßen nux errathen. Vor dem Thor ſtiegen wix einen Augenbli in dem Hauſe eines reichen Kaufmanns ab, um von hier aus in den kaiſerlichen Gala-Wagen, die hier warteten, weiter zu fahren. Jn dem erſten derſelben fuhr die Königin mit uns beiden Damen. Wir fuhren eint Spaliex von 45,000 Mann Fnfanterie entlang, lauter wunderſchöne große Leute. Vor dem Schloß erſt ſtanden die Garde-Regimenter. Dex Kaiſer Alexander mit unſerm König und dem Großfürſten ritten Schritt vor Schritt neben dem Wagen der Königin her, troß der wahrhaft ent= ſeßlichen Kälte. Der Jſaaksplaß mit der Statue Peters des Großen ſuperb, und die ganze Stadt, ſoweit wir ſie ſehen fonnten, überaus großartig. Die Paläſte ſind weit {höner und impoſantex als die in Berlin, aber die Straßen ſind es doh niht; denen gebe ih bei uns den Vorzug. Ueberall empfing uns eine Unmaſſe Menſchen, die ganze Bevölkerung ſchien in den Straßen und auf den Pläßen verſammelt.

Wix wohnen im Winterpalaſt, wo wir von allen Höfen empfangen wurden. Die Kaiſerinnen erwarteten die Majeſtäten in dem erſten Zimmer; die junge Kaiſerin hat etwas rilhrend Sanftes, aber leider hat ſie eine ganz verdorbene Haut=- und Geſichtsfarbe. Die alte Kaiſerin iſ ſehr gut konſervixt; der Kaiſer ſtellte der Königin die drei Großfürſtinnen vor, die