Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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in Wahrheit reizend ſind. Abends wax Theater im Palaſt

der Eremitage, das Diner war um 5 Uhr und die Herr-

ſchaften aßen untex ſi<h und i<h an der Maxſchall3-Tafel. 8. Januar.

J<h ſtand um 9 Uhr auf, ging um 10 Uhr zur Königin und fand ſie leider niht wohl; ih fürchte ſie iſt wieder in der Hoffnung, ſie hat gax keine Kräfte und i} beängſtigend matt. Wir gingen zu den beiden Kaiſerinnen, überall war eine Maſſe Menſchen und meine Füße ſind ganz müde von dem langen Stehen. Großes Diner beim Kaiſer. Die Zimmer der Kaiſerin ſind von einex unglaublichéèn Pracht und zugleih doh in vollendet gutem Geſhma> eingerichtet ; man weiß niht, was man am meiſten bewundern foll. Die ganze kaiſerliche Familie iſ von einer Güte ohne Gleichen. Die ruſſiſchen Damen, die im Grunde doh fo hohmüthig ſind, haben im Weſen eine große Zuvorkommenheit und ihr Entgegenkommen für mich iſ unglaubli<h liebenswürdig. Nach Tiſh bei den Großfürſtinnen; die Großfürſtin Cathe= rine iſt ſehr anziehend, ſie heirathet den Herzog von Oldenburg, der niht ſ{hön iſt, aber ein ahtungswerther Mann zu ſein ſcheint. Die jüngere Großfürſtin iſ \{<ön und anmuthig; ſie iſt dem Herzog von Coburg beſtimmt, foll aber erſt in zwei Jahren vermählt werden. Abends wurde das Trauerſpiel Cinna im franzöſiſchen Theater gegeben und Madame Georges ſpielte zum Entzücken. Das hieſige Ballet iſt ausgezeihnet, Dupont tanzt wie ein Zephyr.

9, Januar.

Früh kam die Gräfin Lieven mit dem Schneider der Kaiſerin = Mutter, der mir Maaß nehmen ſollte für das ruſſiſche Kleid, was ſie mix ſchenken will. Um 1 Uhr ging