Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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I< habe nie anders gehandelt als nah meiner beſten Ueberzeugung und den Geboten der Ehre gemäß, und au< der leßte Schritt meines Lebens foll no< mit dieſen Grundſäßen übereinſtimmen. Meine Jugend habe ih meinem Vater, mein Mannes - Alter dem Vaterlande geopfert und habe nun wohl das Recht, wenigſtens über mein Alter ſelbſt zu beſtimmen. Es giebt Leute, die ſich allen Schiekungen gegenüber beugen und unterwerfen, das iſt nicht meine Sache. Jh habe nux für Andere gelebt, für mich aber will ih ſterben, werde nicht viel darnah fragen, was die Welt dazu ſagen mag, und denke: ih werde dann auh ni<hts mehr davon hören. Wenn Alles uns verläßt, die Hoffnung ſelbſt zerbricht, dann iſt das Leben Shmach und Sterben unſere Pflicht!“ —

Angeſichts einer ſo ſchweren Bedrängniß des Vaterlandes und deſſen Helden -Königs, deren drohenden Ernſt die eben exiwähnten Briefe ahnen laſſen, kann man ſich des befremdlichen Eindruckes niht erwehren, den das Leben am Hof macht, von dem nachſtehende Aufzeichnungen uns ein Bild geben. Es würde ſehx ungerecht ſein, den einzelnen Perſonen aus dem einen Vorwurf machen zu wollen, was in dex Auffaſſung und Lebensweiſe der Zeit lag; nur die Verſchiedenheit von Einſt und Jeßht tritt uns mit grellex Deutlichkeit hierin entgegen.

Zum Verſtändniß der folgenden Notizen wird es genügen, einige der Perſonen, wel<he darin genannt werden, näher zu bezeihnen. Wir begegnen hiex natürli zuvörderſt der regierenden Königin Eliſabeth Chriſtine, Gemahlin Fried-