Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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famen zu uns zum Eſſen. Man exhielt die Nachricht, daß man in Berlin ziemlich ruhig ſei, aber eine offene Feldſchlacht in der Nähe erwarte.

Abends wax ih bei der Prinzeſſin von Preußen und ſpielte mit dem jungen Prinzen von Preußen. Man ſpra< bei Tiſche von nihts als von unſerm armen Berlin und von der Angſt, die Jedem auf dem Herzen liegt.

10. October.

Berlin hat kapitulixt! — Es hat ſi<h dem Feind ergeben, aber niht den Oeſterreichern, ſondern den Ruſſen, in dex Nacht vom 8. zum 9., und dieſe Unglücksnachricht ift ſeidex nux zu gewiß! — Da der Prinz von Würtemberg und dex General Hülſen in Erfahrung gebracht hatten, daß dex General Lascy mit 8000 Mann im Anmarſch ſei, um die Oeſterreicher zu verſtärken, verließen ſie die Stadt mit ihrem geringen Häuflein und zogen ſi< gegen Spandau zurü>. Tottleben und dex öſterreichiſhe General Lascy ſind in Bexlin eingerü>t und haben zuvörderſt von den Thoren und den Königlichen Schlöſſern Beſih ergriffen. Man ſagt, daß ſie bis jeßt noh gute Oxdnung halten. Jh eilte gleich zu der Prinzeſſin und habe den Mann ſelbſt geſprochen, der von Bexlin ankam und dieſe Nachrichten brachte.

11. Octobex.

Man weiß heute nihts Neueres aus Berlin und allem Anſchein na<h wird man füx's Erſte auh wenig von dort exſahren. Die Ruſſen erlauben gar keinen Verkehr der Stadt na< Außen und laſſen keine Poſt mehr abgehen, und ſo fann man fernerhin nichts exfahren, als unſichere Gerüchte. Mein Mann ſagte, das Gerathenſte ſei, von hiex abzureiſen und ging zu Herrn Köppen, wo ex erfuhr, daß heute früh