Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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ſißen, welcher leßtere doh ſchr geiſtreich iſ. Man ſprah von Freundſchaft und Liebe; Thulmeiex ſtellte auf: es ſei, abgeſehen von dem Glück odex Unglück, das man in Beiden haben könne, an ſi< ſelbſt eine Wonne und ein Genuß über jeden andern, eine Neigung zu empfinden, und ih behauptete das Gegentheil; denn was bringt Einem auf dieſer Welt wohl größere Leiden und Schmerzen, als die Liebe? —

13, November.

Mein Mann war auf der Jagd und ih aß bei der Prinzeſſin allein mit ihr und ihren beiden Damen. Nach Tiſh, als ſie ihre Damen entlaſſen hatte, ließ ſie meine Kleine holen und als Karolinchen wieder nah Hauſe geſchi>t tworden, blieben wir Beide allein zuſammen bis zum Abend. Die Prinzeſſin las mix aus einem neu erſchienenen Buch vor: „Le nouveau Spectateur“ und dann hatte ſie die Güte, mich ihr Tagebuch leſen zu laſſen, das ſehr hübſch geſchrieben iſt und in dem ih eine Menge Dinge fand, die mich ſehr intereſſixten und mih zum Theil au< innig rührten. Wir tranken zuſammen Thee und ſie überhäufte mich, wie immer, mit Gnade und Güte.

14, November,

Jh war an Hof, abex ih fand dort nur die grauſamſte Langeweile. Es wax wixkli<h ein ſhre>lihec Abend für alle Leute; aber ih glaube, faſt Niemand wax ſo verzweifelt als ih, die nihts auf dex Welt ſo haſſt und flieht als die Langetveile,

28, November.

Die Marſchallin kam um Abſchied zu nehmen; dann

hatten wix Aſſemblée bei uns und die Prinzeſſin hatte die

Gnade bei derſelben zu erſcheinen. Meine Freude ſie un“Am Preußiſ<hen Hofe. 2. Aufl. 6