Neunundsechszig Jahre am Preussischen Hofe : aus den Erinnerungen der Oberhofmeisterin Sophie Marie Gräfin von Voss : mit einem Porträt in Stahlstich und einer Stammtafel

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bei mix zu, die ebenfalls heute ihre Andacht verrichtet hatten. 27. März.

Ein junger Höäſeler kam aus Berlin zu uns. Man ſpricht in der ganzen Stadt nux von dem Unglü> ſeines Vaters, den der König auf die Feſtung geſchickt hat, weil ex niht hat einen Revers unterzeichnen wollen. Man fagt, die Sache der Alliirten ſtehe ſ{<le<t; die Belagerung von Caſſel und die von Marburg ſollen aufgehoben ſein und man fürchtet ſehr, daß die Franzoſen wieder vorrücken.

9. April.

I< wollte gern einmal ruhig den ganzen Tag mit den Kindern zubringen und bat meinen Mann allein zum Diner der Divina zu gehen, wo die Königin war, und mich zu entſchuldigen. Aber nah Tiſche ſchi>te die Erſtere zu mir und ließ mich bitten, do< nux ein bis<hen zu ihr zu kommen, und als i< fam, fand ih ſie ganz allein und überdem etwas leidend und brachte einen wunderhübſchen gemüthlichen Abend mit ihr zu. Jh liebe ſie noh viel mehr, wenn ſie allein iſt, als unter Menſchen.

10. April.

J<h las die Nouvelle Héloiſe, ein Buch, das eben erſt exſchienen iſt und die Gefühle der Freundſchaft und die der Liebe mit einer ſeltenen und eigenthümlichen Bexredtſamkeit ſchildert. Allerdings läßt die Liebe die Heldin des Buches einen unverzeihlichen Fehltritt begehen; aber denno< iſ man geneigt, um ihrex Reue und um der guten Eigenſchaften willen, die ſie in ihrem ſpäteren Leben zeigt, ihr dies Ver-= gehen zu verzeihen. Einzelne Stellen in dem Buche ſind es in der That werth, geleſen und beachtet zu werden.