Sadismus, Masochismus in Kultur und Erziehung

6 Sadismus, Masochismus in Kultur u. Erziehung.

während uns das Gegenteil mißfällt!). Diese wunderbare Harmonie finden wir am ausgesprochensten bei den alten Griechen. In Platos Philosophie vereinigt sich zu einer harmonischen Synthese die Ethik des Sokrates, die Methaphysik des Par'menides, die Naturphilosophie des Heraclit, die Kabbalistik der Pythagoräer, der Scharfsinn der Sophisten, die Beredtsamkeit der Rhetoriker. ‚Das Principium der Weisen Griechenlands, und besonders des Plato, war eine der Naturabgelernte, echte Menschenweisheit2).“

„Plato’s Philosophie wurzelt nicht in der Einseitigkeit der Reflexion, sie entfaltet sich in der Fülle des menschlichen Wesens. Sowie er den wahren Weisen (in der Person des Sokrates) als vollendeten Menschen schildert, der weit ist die Sinnlichkeit, gleichsam den Träger des physischen Lebens in sich zu töten, sie vielmehr harmonisch zu bilden und geistig zu verklären strebt, so haben auch seine Schriften nicht den einseitigen Zweck den kontemplativen Denker zu beschäftigen, sondern die Einbildungskraft und den Geist des Lesers zum Idealen zu erheben, indem sie ihm die vollendete Humanität in individueller Lebendigkeit abgebildet darstellen. So sind auch seine Schriften über alle Einseitigkeit erhaben, weil sie die Elemente des menschlichen Lebens in ihrer harmonischen Gesamtheit ergreifen und die allseitig gebildete Menschheit darstellen’). Harmonie zwischen Körper und Geist, ‚wunderbarer Rhythmus geistiger Tiefe und Klarheit, seelischer Schönheit und körperlicher Wohlgestalt vereinigten sich bei den Hellenen zu einer nie dagewesenen Gesamtharmonie höchsten Menschentums. Es ist eine tiefe Wahrheit, wenn Adisson sagt, es sei unmöglich ein Blatt von Plato zu lesen, ohne ein größerer und besserer Mensch zu werden. Freilich nicht so, wie die Griechen auf unseren Gymnasien gelesen werden, wo der tiefe, herrliche Edelmenschensinn platonischer Ideen grammatikalischem Stumpfsinn Platz machen muß. Unnatur wird mit den Griechen im Gymnasium getrieben. „Wer aber die Alten ohne die Natur

1) Herbart IV. ı18 (Kehrbach. Ausg.). 2) Joh, von Müller.

3) Schleiermacher.

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