Albanien und die Albanesen : Landschafts- und Charakterbilder : mit vielen Abbildungen

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| Abendländer vernimmt im Vaterhauſe, in Schule und [Kirche nur die Lehre: Liebe Gott über alles und deinen | Nächſten wie dich ſelbſt. Dem Albaneſenknaben aber wird | von klein auf eingeprägt: „Dies und jenes Geſchlecht ſind die Todfeinde des SciRigeE. ſie haben uns ſo und ſo viel { Mann erſchoſſen, ſie ſhulden uns ſo und \o viel Blut; | du haſt keine heiligere Pflicht, als dieſe zu rächen, und ¡wenn es dir gelingt, den Stamm deiner Feinde aus3zu} roten, ſo wirſt du- der Held von Albanien werden.“ ¿ Von der Außenwelt, von der Welt außerhalb ſeiner _ Familie und ſeines Siammes, ſagt Hahn, hat der Alï baneſe nie Gutes, ſondern nur Böſes zu erwarten, und ; um dieſes abzuwehren, ſieht er ſi<h nur an ſeine eigenen Kräfte verwieſen. Er ſteht mithin der Außenwelt als i Feind gegenüber und ſein geiſtiges Leben bewegt ſi<h nur um die Fragen, wie er ſih {hüben und wie er ſich : rächen könne. Zu beidem bedarf er ſeiner Waffen und deShalb fühlt ſi< der Albaneſe eigentli nur als Krieger, der nur ſo viel arbeitet, daß er niht verhungern muß.

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| Dhne Arbeitsüberſhuß über den Leibesbedarf hinaus

aber gibt es feinen Wohlſtand, ohne Wohlſtand keine Bildung, ohne Bildung keine Entwi>klung des Gemütes und alles deſſen, was mit einer höheren Seelenrichtung

Mi zuſammenhängt. |

So iſt es erklärlih, daß der Charakter der Albaneſen

e | wirklich der „bewaffneter großer Kinder“ geblieben iſt,

‘aufbrauſend, heftig, argwöhniſ<h und abergläubiſch, aber / doh auh gut und heiter. Daß die Beeinfluſſung. von außen den Albaneſen niht beſſer gemacht hat, als er von Haus aus ſchon geweſen iſt, braucht niht eigens | hervorgehoben zu werden. Aber jedenfalls iſt er bis heute | tapfer und treu geblieben, hält er ſein gegebenes Ver= è ſprechen, iſt im alltäglichen Verkehre zuvorkommend und { höflich. Und dieſe im Laufe der Zeit angeeignete natür| liche Höflichkeit und Ehrlichkeit bekundet der Albaneſe