Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 4.

166 Unter dem {warzen Kreuz.

Schre>ensſcene im Schloſſe des Piraten, und ihr wars, als ſtre>e jene Unglücfliche, jene Gertrud, über das Meer und das Grab hinaus ihr grüßend und ſegnend die Nechte entgegen. Da tönt plöblich neben ihr ein ſchwacher, faum hörbarer Seufzer, ſie wendet fich halb erfreut, halb erſ<hre>t dem Verwundeten zu; er hat den Kopf ein wenig gehoben, ſeine Augen ſind geöffnet, ſchauen ſie groß und ſtaunend an, und ſeine bleichen Lippen flüſtern fragend und ſelig zugleich: „Gertrud“, dann fallen langſam die matten Lider Über die dunklen Sterne, und ehe die Jungfrau noh leiſe entz gegnen kann: „Jh bin's, geſtrenger Herx, Hadwig Botel= mann,“ ſinkt das blaſſe Haupt wieder in die Kiſſen zurü>.

Welches Räthſel verbarg ſi<h in der Bruſt dieſes Mannes? War's nur ein eigenthümliches Zuſammen= treffen, das ihm den Namen jenes armen geraubten Weibes auf die Lippen legte gerade bei ihrem Anbli>? Oder hatte auh er die Unglü>liche gekannt — geliebt vielleicht, und rief dieſelbe Aehnlichkeit, die einſt Kerſten ſo wunder= bar berilhrte, auch ihm die Erinnerung an die Todte zurüc®? Hatten vielleicht daher die heißen, fieberglühenden Bli>e geſtammt, durch die der Todwunde noh vor wenigeit Stunden fie exſchre>te?

Es wax am Morgen, und der erſte Dämmerſchein des erwachenden Tages küßte leicht die blutloſen Wangen des Verwundeten. Dex Schultheiß war ſoeben an das Belt getreten und hatte Hadwig's Plaß für eine Stunde ein= genommen, als dex Komthux, wie aus tiefem Schlaf er= wachend, zum zweiten Male die Augen aufſhlug und ih ſcheu umſah.