Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 5.
Von O2wald Heim. E 209
werden am Vorabende des Neujahrstages dünne Waffeln aus Honig und Weizenmehl geba>en. Auf jedem Bauern= Hofe, in jedem Dorfe ſißen junge Mädchen und Frauen am Herde und ba>en Ciſerkuchen, die, in mehr odex weniger torretter Cylinderform aufgerollt, in ungeheueren Quan= titäten an die Herrſchaft, die Dienerſchaft, kurz an alle Hausgenoſſen geſpendet werden.
In allen Ländern des Oſtens und Nordens, wo dex alte Zulianiſche Kalender no< in Geltung iſt, beginnt der Karneval ſ<on um Weihnachten und wird in eigenthüms-= licher Weiſe geſeiert, welche von der Feier im Abendlande weſentlich verſchieden iſt. Der ruſſiſche Karneval z. B. zex= fällt in zwei Theile, in die Neujahrsfeier, welche mit Tanz, Scherz und Mummenſchanz begangen wird, und in die ſogenannte Butterwoche oder die Schmauſezeit, welche den ſtrengen Faſten vorangeht. Bei der ruſſiſchen Neujahrs= ſeier ſpielen jene derben Scherze, Neckereien, Spiele und Beluſtigungen, wie ſie einſt bei den römiſchen Saturnalien üblich waren, no< heute eine große Rolle, und haben fi irob aller Veränderungen, welche im Laufe der Zeit mit den BVolksbräuchen vor ſich gegangen ſind, unter dem Land= volfe no< in vollem Schwange erhalten. Eine dex belieb= teſten Vermummungen beſteht darin, daß einige Burſche ſich als Wolf, Bäx, Pferd, Kameel, Ochſe u. |. w. maskixen und in Begleitung von Muſikanten Abends durch das Dorf giehen, drollige Lieder ſingen und komiſche Tänze auffüh= ren, namentli< aber den Tanzbären mdgli<ſt leben8wahr nachahmen, wofür ſie dann von den Bauern mit Dünnbiex, Meth oder Schnaps bewirthet und mit einigen Kopeken
Bibliothek. Jahrg. 1884. Bd. YV, 14