Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

Roman von Adolph Streffuß, i 87

ihn dem Geliebten übergeben, dur die fleine Gartenthüre findet Ernau zu jeder Stunde des Tages und des Nachts den Eingang zu dem Garten, und hier in der verborgenen Laube findet ex Bertha, die ihn mit Sehnſucht erwartet.

Wie ruhig überlegte ſich Wangen die einfache Löſung des Näthſels, welches ihn in den lebten Tagen zu heftiger, wilder Erregung getrieben hatte. Ex war nicht mehr zornig, nein, gewiß niht! Wenn ſeine Hand ſi< krampfhaft zur Fauſt ballte, fo bewirkte dies nux die tiefe Empörung über den niederträchtigen Verrath an ſeiner Ehre, begangen dur ſeine Gattin, die er ſo innig geliebt hatte. Ex war nicht zornig, denn der Richter darf nicht zornig ſein, und Gericht mußte er Halten über die Treuloſe und über den Elenden, der die in Linau genoſſene Gaſtfreundſchaft ſo ſ<nöde mißbrauchte.

Er mußte die Beiden überraſchen bei ihrem frevelhaſten, zärtlichen Stelldichein. Und dann? Es wax nicht nöthig, darüber nachzudenken, ex wußte ja, daß es nur einen Weg für ihn gab, den Nichtswürdigen zur Rechenſchaft zu ziehen.

Ja, er war jebt ruhig, eiſig ruhig! Das bewies er, indem ex vorſichtig den Zweig; den er emporgehalten hatte, um einen beſſeren Ausbli> zu gewinnen, wieder niederließ. Der Kutſcher durfte niht ahnen, daß er in feinem Verz ſte> beobachtet worden ſei, wie leicht hätte ex fonſt einen weitſchallenden Warnungsruf ausſtoßen können. Mit faſt noch größerer Sorgfſamkeit' und Sicherheit als vorher \{li< ſich Wangen durch das Gehölz, aber ſobald er dieſes zwiſchen ſich und dem Kutſcher wußte, eilte ex im Sturmſchritt,