Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

Novelle von G. Höcker, 137

ihm in kurzer Zeit ſchier unentbehrlih geworden. Der Leberecht Müller war cin fröhliches junges Blut ſein Lebe tag geweſen, und ſo brachte er dur< ſeinen heiteren Sinn in das Haus des Wittwers, der mit ſeiner einzigen Tochter Clâre daſelbſt lebte, eine Fülle neuen und friſchen Lebens. Nach Jahr und Tag war aus dem Geſellen der Schwieger= ſohn geworden, dann war auch der alte Meiſter zur Ruhe gegangen, und der Leberecht Müller, welcher ihm den leh= ten Liebesdienſt erwieſen und ihm die Augen zugedrückt hatte, war nun im Geſchäft fein Nachfolger.

Anfangs wollte dies freilich wenig genug bedeuten, denn das Geſchäft des Schwiegervaters war immer ein kleines und beſchränktes geweſen, aber dur<h unermüdlichen Fleiß und eine ſeltene Redlichkeit brachte der Leberecht Müller es bald dahin, ſi< immer mehr neue Kunden zu erwerben, welche ihm auch dauernd ihr Vertrauen erhielten. So kant es, daß der Name des jungen Meiſters ſich in einheimiſchen Kreiſen bald eines guten Rufes exfreute.

Dazu lebte der Lebere<ht Müller mit ſeiner Cläre in einer muſterhaften, glü>lichen Ehe. Erſt nah fünf Jahren gebar ihm ſein Weib ein Töchterchen, welches in der Taufe Cliſabeth genannt wurde. Aber fo ſehr der biedere Meiſter ſich auch immex ein Kind gewünſcht hatte, ſo eiferſüchtig wurde ex bald auf die Kleine, denn es wollte ihm ſcheinen, als ob auf dieſe ein Theil der Liebe übergegangen wäre, welche ſein Weib ihm bisherx allein gezollt hatte. So kam es, daß der Meiſter der kleinen Eliſabeth niht fo zugethan wax, wie es wohl fonſt der Fall geweſen wäre.

Noch einen bitteren Wermuthstropfen gab es in dem