Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

142 Das Herzblättchen.

ſeinem Weibe ſ{<lafen gegangen wax, aber in der auf= blühenden und gedeihenden Helene fand ſein wundes Herz einigen Exrſaß für die Verblichene. Er hing bald an der Kleinen mit übevzärtlicher Liebe, ja, ex verzog dieſelbe auf das Aergſte, und als ſie das vierte Lebensjahr erreicht hatte, da ſtand ſie an Launen und Einfällen dem allerverwöhnteſten Prinzeßchen niht na<h. Die Liebe des Vaters zu ihr war blind und in ihren Unarten ſelbſt ſah er lauter ſeltene Vorzüge. Die ehrlihe Wartefrau {lug oft die Hände über dem Kopfe zuſammen, wenn ſie ſah, wie Hez lenchen in allen Dingen vor der älteren Schweſter bevor= zugt wurde.

„Das kann kein gutes Ende nehmen, Sie werden es ſelbſt no< erleben, Herr Müller,“ ſagte ſie mitunter kopf= ſchüttelnd, aber der thörihte Vater ließ ſi< in dieſem Punkte wedex xrathen no< warnen.

Cliſabeth war natürli<h in die Volkzſchule gefommen, wie es ſich für das Kind eines Handwerk2meiſters paßte. Al3 aber Helenchen das ſchulpflichtige Alter erreicht hatte, da fand es Meiſter Müller durchaus ſelbſtverſtändlich, daß das Mädchen das beſte und lheuerſte Juſtitut beſuchen mußte, welches in der ganzen Stadt war. So ein zartes, vreizendes Kindchen, pflegte ex zu ſeiner Selbſtentſchuldigung zu ſagen, paſſe niht für gewöhnliche Verhältniſſe, ſeine Helene ſei zu etwas Höherem geboren.

Meiſter Müller hatte einen guten Freund in der Nach=z barſchaſt, der war Schloſſermeiſter und hatte ſein redliches Ausfommen. Aber au< dieſer ſhüitelte über das Vor= haben des verblendelen Vaters bedenklich den Kopf.

ad GRA