Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

Novelle von G. Höer. 143

„Zieh? Dein Mädel zu einer tüchtigen Hausfrau hexan,“ pflegte ex zu ſagen, „das iſt geſcheidter, als ihr mit den gelehrten Krimskrams den Kopf vollzuſtopfen, den fie nur halb verſteht und von dem ſie ſpäter doh einmal nichts brauchen fann. Dur Deine Erziehung we>ſt Du in der unſchuldigen Kinderſeele Anſprüche, welche Du in Deinem Stande und mit Deinen Mitteln niemals wirſt befriedigen können. So ein hochgebildetes Fräulein Naſeweis wird ſich dann ſpäter einmal ſhwerlih mit einem ſ{li<ten Hand=werkfsmann begnügen, ſondern es will höher hinaus. So viel Geld wirſt Du aber Dein Lebtag nicht haben, daß Du ihr einen vornehmen Herrn Gemahl wirſt kaufen können, und bei dieſen Herren läuft e2 ja doh immer nur auf die Mitgift hinaus. Wir leben in einer nüchternen Zeit und Du biſt mit Deiner Affenliebe auf dem ſ{hönſten Wege, Dein Kind ſpäterhin tief unglü>li<h zu machen.“

Der wa>ere S<hloſſermeiſter meinte es gewiß redlich mit ſeiner freundſchaftlichen Warnung, aber wie vorauszu=ſehen, predigte er tauben Ohren, und Meiſter Müller that denno<, was er na< ſeinem eigenen Kopfe für gut und rathſam fand. Sein Lebenszwe> ſchien nux noch darin zu beſtehen, alles Erdenkliche an Helene zu wenden. Franzöſiſh und Engliſch mußte ſie lernen, Singen und Klavierſpielen ganz ſelbſtverſtändlich.

Vorläufig freilich ſchien es, als ob Meiſter Müller mit ſeiner Anſicht Recht behalten ſolle. Helene war zu einer wunderherrlichen Jungfrau herangereift und das vergeiſtigte und verklärte Cbenbild ihrer Muttex geworden. Jhre muſikaliſ<he Begabung hatte ihr in Bälde eine Menge