Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

146 Das Hexrzblältchen,

naſigkeit. J< habe immer gedacht, Deine Helene würde ein rechtſchaffenes Weib geben für meinen Wilhelm, geſpielt haben ſie genug mit einander als Kinder. Abex jeßt iſt ſie eine Hochmuthsprinzeß geworden, der Keiner gut genug iſt. Bis aber ein Herr Graf kommt, kann ſie ſo ſ{warz werden wie altes Eichenholz.“

„Kommt Zeit, fommt Rath,“ pflegte Meiſter Müller darauf ablenkend zu entgegnen, aber dem Stimmfklange nach ax ſeine Zuverſicht in lehter Zeit ſehr geſchwunden.

2.

Auf der Bank, welche von dem mächtigen Nußbaum beſchattet wurde, der ſeine Wurzeln bis weit in die Garten= terraſſe geſchlagen hatte und ein prächtiges Shubdach gegen die heiß herabbrennende Sonne verlieh, ſaß Helene. Vor thr auf dem eiſernen Gartentiſche lag ein Buch, in welchem ſie unzweifelhaft bis vor Kurzem geleſen hatte, denn no< war es auſgeſchlagen, und der Bli des jungen Mädchens huſchte bi3weilen mit einem Ausdru> von Ungeduld über daſſelbe hin.

Ihr gegenüber faß ein junger Mann, etwa in der Mitte der zwanziger Jahre. Sein geſund geröthetes, von einem weichen, braunen Vollbarte umrahmtes Geſicht ſtroßte yon Kraft und Lebensfreude. Der Schnitt des Geſichtes war nicht eben klaſſiſh zu nennen, es waren mehr derbe als feinlinige Züge, welche dem Antliß ihr charakteriſtiſches Gepräge verliehen, aber aus den braunen Augen leuchtete Aufrichtigkeit und Herzen2güte. Er war {li<t bürgerlich getleidet, und auch die lebhaften Bewegungen, welche ex

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