Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

148 Das Herzblättchen.

Das junge Mädchen griff nah dem Buche, als ob ſie die Unterredung für beendet anſehe. Aber Wilhelm Knorx, der Sohn des ehrlichen Schloſſermeiſters, ſtand nicht von ſeinem Plaßhe auf. Ex ſchaute verlegen vox ſich nieder und hub einige Mal zu ſprechen an, aber ſein Anliegen ſchien ihm ſchwer zu fallen, denn die Stimme verſagte ihm jedes= mal wieder.

Helene ſchaute ihn befremdet an und warf einen raſchen Bli na<h dem Hauſe zurü>. Das mittlere Sto>werk bewohnte gegenwärtig ein Baron v. Myloſcz, ein junger Ungar ſeiner Angabe nah, deſſen Gewohnheit es wax, allmittägli<h in den Garten herab zu fommen und ein Stündchen mit der ſ{hönen Tochter des Hauſes zu verz plaudern. Dex Gedanke war dem jungen Mädchen peinlich, daß der ſo elegante und vornehme junge Weltmann ſie im Geſpräch mit dem ſ{li<t gekleideten Bürgersſohn finden fönne. Wilhelm Knorr wax ihr ja ſonſt ganz lieb und werth. Es wäre undankbar geweſen von ihr, wenn fie ihn niht hätte leiden mögen, da ex doh während der Jugendzeit ſtets ihr ſ{<hubbereiter Spielgefährte geweſen war. Aber zum Anderen hätte ex do< einſehen müſſen, daß ein gewaltiger Unterſchied zwiſchen damals und jeßt beſtand. Dex aus\{<ließli<he Umgang mit den Angehörigen einer anderen Geſellſchaftsflaſſe hatte das leicht zu bethö= vxende Mädchen vergeſſen laſſen, daß ſie felbſt niederen Standes war und in den beſſeren Kreiſen nux wegen ihrer ſeltenen geſellſchaſtlichen Fähigkeiten geduldet wurde. Wenn ſie eine geborene Prinzeſſin geweſen wäre, hätte ſie nicht

_yornehmer auf den jungen Mann herabſchauen können, als

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