Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

Novelle von G. Höcer, 151

lächerlich, daß ſie, das viel gefeierte ſchöne Mädchen, die Frau jenes hölzernen Burſchen von damals werden ſollle.

„Seien Sie mix nicht böſe, Wilhelm, aber wie konnten Sie auf einen fol<hen Gedanken kommen?“

Dex junge Mann ſchaute verſtört darein. „Der Himmel weiß, daß ih es gut und aufrichtig meinte, und Sie hätten mich deshalb nicht auslachen follen,“ ſagte er mit gepveßter Stimme. „Was haben Sie von all” Fhrer vornehmen Geſellſchaft, wenn Sie kein Herz beſiben, das Sie glü>li<h macht?“

„Und das wollen Sie mir geben — das iſt in Wahr= heit ſehr {hön von Fhnen, Wilhelm,“ entgeguete Helene in einem Tone, von dem dex junge Mann nicht wußte, ob ex ihn ernſt auffaſſen ſollte, „aber ich denke, es iſt das Beſte, wir brechen das Geſpräch ab; es könnte unerqui>lich werden.“

Dabei warf ſie wieder einen bänglichen Blik nach der Gartenthüre, denn es war ihr geweſen, als ob ſie dieſelbe habe in den Angeln knarren hören. Sie mußte ſich in=deſſen getäuſcht haben.

Wilhelm Knorr ſeufzte tief auf, dann griff er mit finſterem Antliß nach ſeinem Hute.

„Leben Sie wohl, Fräulein,“ ſagte er mit ſeiner tiefen Stimme, „und mögen Sie nie bereuen, ein aufrichtiges Herz von ſich geſtoßen zu haben.“

Aber Helene war im Grunde ihres Herzens doh zu gutmüthig, als daß ſie ihn gekränkt hätte von ſich gehen laſſen mögen. Der Gedanke war ihr komiſch erſchienen, Frau Knorr zu werden, aber ſonſt ſchäßte ſie den Jugend-