Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

Novelle von G. Höer. 155

ein bezeihnendes Lied in meiner Mutterſprache dafür, welches ih Jhnen vorſagen würde, wenn meine heimalh= lichen Laute niht fremd zu Jhren Ohren klängen. Aber es iſt in der That ſo.“

„Sie gedachten doch, ſi den ganzen Sommer über hier aufzuhalten.“

„Der Menſch denkt und dex Güterverwalter lenkt,“ meinte der Baron, während ex mit der Rechten an den Spißen des zierlichen Schnurrbartes drehte und ſich nach= läſſig auf die Banklehne zurü>beugte. „J< werde auf eine Reihe ſchöner Tage verzichten müſſen, und die lieben Bekanntſchaften, welche ih hier angeknüpft, werden bald nichts anderes mehr ſein, als eine Reihe ſchöner Erinnerungen. Man wird mich bald vergeſſen haben hier, das iſt ſo mein Schi>ſal.“

Helene ſchwieg, aber der feuchte Bli>, welchen ſie für einen Moment zu dem Baron erhob, war beredt genug. Wie eine verſchüchterte Taube ſenkte ſie ihn haſtig wieder zur Erde, als ſie dem feurigen Auge des Barons begegnete,

und thr Buſen hob und ſenkte ſi lebhafter als ſonſt.

„Es wird meinen Vater betrüben, wenn er erfährt, daß Sie fo ſnel abzureiſen gedenken,“ hub Helene wieder nah einer Weile an, da das herrſchende Stillſchweigen ihr pein=z lich zu werden begann.

„Nur Jhren Vater ?“ fuhr Myloſcz raſh heraus, und dann ſeßte ex in ſhmachtendem Tone hinzu: „Freilich, wer ſollte ſonſt no< Antheil nehmen an mix.“

Helene ſchaute verwirrt einem Falter nach, der in langs ſamem Fluge über den Raſen des Gartens ſchwebte und