Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

158 Das Herzblättcheu.

„cit wann iſt cs denn Sitte, daß man ſeine Tochter mit unverheiratheten jungen Männern im Garten allein zuſammen ſizen läßt?“ entgegnete Knorr ſtatt jeder Antwort.

„Pfeiſt's aus dem Loh? Na, da ſei nux ganz ruhig, ih fann meinem Kinde blindlings vertrauen.“

„Na ja, Du mußt es ja wiſſen,“ brummte der Schloſſer= meiſter verdrießli<h, „Du haſt ja von jeher Alles auf die Helene geſeßt. Aber ſage einmal, zu was ſoll denn die ganze Geſchichte eigentlich führen ?“

Meiſter Müller machte ein verſhmißtes Geſicht.

„Der Baron iſt ein liebenswürdiger, reicher Herx, und iſt mein Helenchen nicht ebenfalls ein ſ<önes, hochgebildetes, wohlerzogenes Fräulein ?“

„Das habe ih no< nie beſtritten.“

„<< wollte es Dix auch niht gerathen haben. Würde ſie ſich niht prächtig als Frau Baronin machen, he ?“

„Aha, ſo ſtehen die Sachen? Bis zum Kupplex haſt Du's richtig alſo ſchon gebra<ht?“

Meiſter Müller fuhr entrüſtet von ſeinem Stuhle halb in die Höhe und ſchaute -ſtrafend auf den Freund, der ſeinen Bli indeſſen mit gelaſſenſter Gemüthsxuhe erwiederte.

„Pfui Teufel, das iſt ein garſtiges Wort, Du ſollteſt Dich ſchämen.“

„Wahrheit ſchme>t bitter, ſagt ſchon ein altes Sprich=z vort, und es iſt Wahrheit, was ih geſagt habe.“

„Nein, das iſt es nicht,“ rief Meiſter Müller ſich er= eiferud, „Du biſt ein alter neidiſcher Kerl. Willſt es mir am Ende gar verdenken, daß ih na< beſten Kräften für mein Herzblättchen zu ſorgen mich beſtrebe.“

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