Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

tovelle von G. Höcker. 175

Verwandten mit dem Gelde feines Schwiegervater2 endgiltig verloren hatte, da ſagte er ſich mit einem großen Aufwand von Entrüſtung von ihr los und machte ihr in dürren Worten den Vorſchlag, ſie möchte zu ihrem Vater zurit>kehren und von dort aus die Scheidung be= wirken.

Dann kam der todesmüde Schmerzensſchrei des vielgeprüften Weibes, und Vater Müller ging mit feinen Freunde, dem Schloſſermeiſter, um fein krankes Kind heim= zuholen.

Seßt lag Helene daheim und Vater Müller fürchtete für ihr Leben. Dazu ſtürmten andere Sorgen auf den alten Mann cin. Die Hälfte ſeines Vermögens und noch mehr hatte er ſeinem Kinde geopfert, jeßt wax er oft um das nöthige Geld zum Lebens8unterhalt verlegen, und es demüthigte ihn oft im Herzen, wenn er verſtohlener Weiſe da und dort eine Summe Geldes leihen mußte. Knorr hätte ihm gewiß gerne aus ſeiner Verlegenheit geholfen, aber Meiſter Müller war zu ſtolz, gerade ihn in Anſpruch zu nehmen. Ex verſhloß Alles no<h mehr wie früher in ſei= nem Herzen, aber ex litt nunmehr auch doppelt.

Heute war ein unfreundlich rauher Tag. Der Winter hatte mit grimmer Laune dem einziehenden Frühling noh einen ſ{<limmen Streich geſpielt und Wald und Feld mit einex weißen Schneede>te überzogen. Auf die Gebirgstannen hingen die Wolken ſ{hwex hernieder, als ob ſie jeden Augenbli zerberſten und den ungaſtlichen Gruß den Fluren mit= theilen wollten. Die Amſeln und die anderen Singvögel, welche ſchon heimgekehrt waren aus dem fernen Süden,