Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

176 ) Das Herzblättchen.

flogen verſchüchtert dur<h die falte Luft und in klagenden Tönen gaben ſie ihr Sehnen kund nah dem warmen, präch= tigen Lande.

Meiſter Müller ſtand an dem Fenſter dex Wohnſtube und ſtarrte auf das troſtloſe Landſchaftsbild, welches ſich ſeinen Bli>en bot, Nebenan in der Stube lag Helene, die Thüre ſtand offen, ſo daß der alte Mann jeden Athemzug ſeines Lieblings vernehmen fonnte. Bis vox Kurzem hatten wirre Fieberträume ſie wieder überkommen gehabt und ihren Geiſt zermaxtert, jeht lag ſie ſtill und erſchöpft und ihr Angeſicht war bleicher denn je.

Dem alten Manne fkrampfte ſich das Herz zuſammen unter namenloſen Sc<hmexrze und der leßte Hofſnungs= hauch wollte aus ihm eniſhweben. Es lag eine ungeheure Laſt auf ihm und es wax ihm zu Muthe, als ob ex ſi gegen dieſelbe ſtemmen und aufſchreien müſſe aus tief= innerſter Bruſt, um wieder leicht zu werden. Aber er wußte wohl, daß dies eine Täuſchung war, und daß nur ein Wunder ihm feinen Frieden zurückgeben konnte. Wenn das Herz übervoll iſt und finſtere Sorgennacht den Geiſt betäubt, dann irrt dieſer gern aus dem troſtloſen Dunkel hinweg zu Sonnenſchein und lachenden Gefilden. Wie Sphärenmuſik klingt dann das Lied dex Erinnerung und die lichten Traumbilder einex freundlichen Vergangenheit tauchen verklärt aus dem Dunkel hervor.

Der alte Mann ſchrak plößlich aus ſeinen Träumen auf, denn aus der Kranfkenſtube drang ein leiſes Geräuſch. So ſ{nell, als er konnte, eilte ex auf den Fußſpiben dahin, und ex wollte feinen Augen nicht trauen, als er Helene

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