Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

180 Das Herzblättchen.

ſauler und lauter ſchlagen, das Geräuſch wurde ihm zur unerträglichen Pein, und er lauſchte no< angeſtrengter, aber ex hörte ſonſt ni<ts — feinen Athemzug — nichts.

Meiſter Müller ſchaute mit leeren Bli>en auf ſein Kind, und dann zitterten ihm die Kniee immer heftiger, und durch den ganzen Körper ging ein ſ{wankes Zuten, bis der alte Mann ſi<h ni<t länger mehr aufre<t halten fonnte, ſondern vor dem Betle zuſammenbrah. Seine - Hände taſteten unſicher na< dem Geſichte ſeines Kindes, das mit einem Male ſi< ſo kalt und eiſig anfühlte, und ſeine Lippen zitterten.

„Mein Herzblatt — v mein Sonnenſlrahl |“

So verging Stunde auf Stunde. Jm Zimmer ſummte die Mücke noh eine Weile, dan verflog ſie ſi<. Von der Straße tönte Lachen in das ſtille Zimmer — luſtige Menſchen zogen vorüber, Leben und Liebe in der Bruſt dann wax wieder Alles ſtill.

Die Abendſchalten dunkelten herein und Meiſter Müller ſag no< immer vor dem Bette ſeines Kindes. Da klopfte es an der Thüre und Tritte wurden im Nebenzimmer vyer= nehmbar. Der Hausarzt kam zur gewohnten Stunde.

Bei dem Geräuſche fuhr der alte Mann herum und als er den Arzt exkannte, da taumelte er jäh in die Höhe. Er vermochte eine geraune Weile nichts zu ſagen, ſondern er deutete nur ſtumm auf das Lager.

„Sie ſchläft,“ flüſterte er endlich leiſe, und dabei ging ein unſäglih müder Zug über ſein Geſicht.

Dex Arzt trat näher und ſ{hob den Alten ſanft zur Seite. Ex begann den Puls Helenens zu fühlen, Dann

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