Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

Von Haſſo Harden, 191

gewohnt ſind: die berühmte Madonua. Das Bild hat wunderbare Schi>ſale gehabt. Lange Zeit galt nämlih eines der Hauptſtücke der Dresdener Gallerie — neben der unvergleichlichen ſixtiniſhen Madonna Rafael's wohl ihre höchſte Perle — als das Holbein’ſche Original und ein in Darmſtadt befindliches gleiches Bild als eine Kopie de8= ſelben. Crſt in den leßten Jahrzehnten änderte ſi bei genauerer Unterſuchung die Anſicht der Kunſlverſtändigen, es wurde ſ{<ließli< 1869 eine Ausſtellung beider Bilder neben einander ermöglicht und nun trat klar zu Lage, daß gerade das biëher wenig bekannte Darmſtädter Bild das unzweifelhafte Original, das Dresdener Gemälde daz gegen nur eine allerdings vortreffliche, aber niht einmal von Holbein ſelbſt herrührende Kopie ſei,

Ganz abgeſehen von dem entzü>enden Kolorit und der Schönheit der Zeichnung hat dex Meiſter mit dieſem Maz donnenbilde in bewundernswerther Weiſe einem tief inner= lichen, e<t deutſhen Gefühl Ausdru> zu geben gewußt, und hierin beruht weſentlih der Zauber ſeines Werkes. Ex hat die Madonna niht über Wolken thronend, nicht in himmliſchen Fernen dargeſtellt, ſondern ſie dem menſh= lichen Empfinden näher gerüt, indem er ſie mitten unter die Glieder der heiligen Familie ſtellte und ihre Eigenſchaft als liebende Mutter hervorhob. Jn tiefer Andacht knien jene vor ihr, aber das Gefühl ihrer gottbegnadigten Miſſion trennt ſie niht, ſondern verbindet Alle in gemeinſchaſt= licher, beglü>ender Erhebung!

Das Jahr 1526 brachte eine entſcheidende Wendung für das weitere Leben unſeres Meiſters. Jn Baſel brachen