Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

190 Meiſter Hans.

der Salire auf kirchlichem, ſozialem und politiſchem Gebiet. Alle Vorgänger, welche den gleichen Stoff behandelt hatten, mußten foſort nah dem Erſcheinen des Holbein\{hen Werkes die Segel ſtreichen. Ein Dichter jener Tage ruft aus:

„Wie Meiſter Hans den Tod darſtellt, da malt er ihn

So kunſtvoll, daß dex Tod lebt und dex Maler jelbſt

Unſterblichen gleich ſteht.“

Der Tod ergreift in den Holbein'ſchen Blättern alle Menſchen in ſo recht eigentlich <arakteriftiſ<hem Moment : den Vornehmen an der reich beſeßten, ſ{welgeriſchen Tafel, den Reichen, als ex ſi<h mitleidslos von einem armen Bettelweibe abwendet! Hier klettert der Senſenmann hinterrüds auf den Seſſel cines ungere<hten Richters, dex ſich ſoeben beſtechen läßt, dort ſteht er hinter der jugendlichen Nonne, die am Altar kniet und doh zugleich dent Lautenſpiel eines Liebhabers lauſcht, hier faßt er den Arzt inmitten ſeiner Thätigkeit, den Wucherer vor ſeinem Gold-= haufen , dort tritt er felbſt, den Küraß über den hageren Knochen, dem gewappneten Ritter mit Schwert und Lanze entgegen. Erbarmungslos raubt er dem armen Weibe, während es in der einſamen Behauſung ein kümmerliches Süpplein kocht, das Kind, oder tanzt als Trommelſchläger dem Liebespaar voraus, das ſich ſoeben ſ{hwört: „Nux der Zod ſoll uns trennen!“ Spieler und Säufer, Schauſpieler und Räuber, die Hohen und die Niederen dieſer Welt ſie Alle, Alle müſſen dem Unexrbittlichen folgen.

Faſt zu gleicher Zeit mit der Mehrzahl der Todten= bilder entſtand aber auh jenes große Gemälde, mit dem wir am meiſten die Unſterblichkeit Holbein's zu verknüpfen