Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

212 Unter hohen Breiten.

fommt daun auf den häufig gänzlich vereinſamt liegenden Pachthöfen das Heumachen und Toufſtechen an die Reihe, und die Herbſtmonate bringen das Düngen der Wieſen, das Cinpökeln des Schlachtviehs für den Winterbedarf mit ſich. Fleiſ<hnahrung iſt natürli<h vorherrſchend, da die Brodfrlichte nur auf dem Jmportwege in's Land gelangen. Die Jéländer hängen mit zäher Liebe an ihrer nordiſchen Heimath, und die Bewohner dex kleinen Hauptſtadt Reifiavik (1200 Einwohner) tauſchten niht mit den ſtolzen Neapolitanern ; ſelbſt hochgebildete isländiſche Frauen, die längere Zeit in Kopenhagen gelebt haben, ſehnten ſi<h immer wieter nah dem Lavaſtrand und den kleinen hdl= zexuen Häuschen von Reikiavik zurü> und gaben nux un= gern die heimathliche Tracht, das leicht auf einer Seite des Kopfes ſibende originelle Häubchen, das ſchwarze, mit Silberhaken geſchloſſene Mieder und den langen dunklen Noc mit dem Silbergürtel auf. Die Volksbildung iſt troß der Entlegenheit ter einzelnen Höfe gut; eigenthümlich ex= ſcheint die weitverbreitete Kenntniß der lateiniſchen Sprache, die jeder Gebildete vollkommen beherrſcht.

Es gibt weder Gefängniſſe, noh au<h Polizei und Sol= daten, und die Lebensweiſe in den abgeſchloſſenen Thälern iſt ſo patriarchaliſch, daß ein hervorragender cngliſchex Reiſender, welcher Jsland während cinigex Wochen durchſireifte, feine Bewohner nicht beſſer <arakteriſiren zu können meint, als indem ex ſagt, ſie erinnerten an die der Altväter der früheſten Zeiten, von denen es heißt: „Sie waren gexade und re<tſchaffen, das Böſe meidend und ohne Arg im Herzen.“

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