Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 12.

Von H. Niff. 241

und Sonnenſchein, bis die unglü>lichen Opfer in ſeinen Armen langſam verhungern, abſterben und verdorren.

Niemand nennt den Epheu grauſam, obſchon er grau= ſamer iſt als der Tiger, Niemand empfindet mit dem zu Tode gemarterten Baume Mitleid, weil wir no<h niht ſo weit vorgeſchritten ſind, um auh bei ihm eine, wenn auch noh fo ſhwa<he Empfindung wahrzunehmen.

Treten wix in einen alten, gut und dicht beſtandenen Buchenwald, wo die glatten Säulenſtämme ſtolz und maje=ſtätiſh emporſteigen, wo die dicht belaubten grünen Kronen ho< übex uns ſi< wölben, dann erfaßt uns unwillkürlich das Gefühl, als ob wix in die Hallen eines Domes ein= treten. Eine ernſte, feierliche Nuhe umfängt uns, kühl weht es uns entgegen, das gedämpfte Licht läßt die ſ{<lankeint Stämme noh mähtiger erſcheinen. Hier klingt kein heiterer Vogelſang in unſer Ohr, denn in den Hallen dieſer Bäunte wächst kein Geſträuh, welches dem luſtigen Sänger als Zufluchtsort und Wohnſtätte dienen könnte, hier findet er niht die Inſekten, welche ſeine Nahrung bilden. Dieſe Stille wird nicht dux das Hämmern des Spechtes unter= brochen, denn die glattrindigen Buchenſtämme ſind frei von Moosanwüchſen und frei von Larven , welche der Specht heraus flopfen und bohren könnte. Jn den hohen Wipfeln ertönt höchſtens das krächzende Geſchrei des Buſſards oder eines anderen Raubvogels.

Eine andachtsvolle Stimmung beſchleicht uns, die hohen Baumhallen exſcheinen uns ſo erhaben, es drängt ſih uns das Gefühl auf, als ob jeder dieſer prächtigen, geſunden Stämme ein Herrſcher ſei in dem Gebiete der Pflanzenwelt,

Bibliothek, Jahrg: 1886. Bd, X11, 16