Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

98 : Der Talisman des Weibes.

erwiederte er lebhaft, „ungefähr, als ſähe Jemand ein Gewitter zum exſten Male in verſchloſſener Stube mit an. Müßte ex nicht glauben, die Welt ginge draußen in Flam= men auf und der Donner zerbräche das Erdreich? Geht man aber furchtlos hinaus, ſo iſt die Sache ungefährlich, ſo ungefährlich, meine ſchöne Marcheſa,“ ſagte er leiſer, „vie die Stürme dex Liebe.“

„Wer ſich darauf verläßt, könnte leicht erſ<lagen wer= den, Hoheit,“ erwiederte Gaëtannina mit tühlem Spott.

„Ah, nußtloſe Angſt! Am Liebeshimmel jedes Men= ſchen zudæt hie und da ein Bliß auf, aber er erliſ<ht wir-= fungslos, man hat keinen Schaden davon —*“

„Nun, und?“ fragte die Marcheſa ſehr gedehnt, ihm voll in’s Antliß ſehend. „Die Nußanwendung ?“

„Schlägt der elektriſche Funke wahrer Zuneigung end=li wirfklih ein, fo’ iſt man eben todt für die Außen= welt,“ \{loß der Prinz mit feiner Bedeutung.

„Ja ſo!“ Gaëtannina neigte das Haupt. Sie fühlte ſich beengt, gequält in dieſer unwillkommenen Gefangeu= ſchaft, umſomehr, al3 ſie Freiberg's Geſtalt niht mehr im Salon bemerkte. Zum Glü> näherte ſich jebt die Legationsräthin ihrem erlauchten Gaſt und nahm anmuthig dankend den Plaß ein, welchen Gaëtannina ihr zur Ver= fügung ſtellte. s

Eine Regung des Unwillens ging durch die geſammte weibliche Jugend, als die Marcheſa, ohne Notiz von ihrent Kreiſe zu nehmen, langſam in dem angrenzenden Boudoir der Hausfrau verſhwand. Die Fürſtin Melnikoff, ohne=hin in der berechtigten Erwartung betrogen, von dent