Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

Roman von Georg Hartwig. : 63

ſchon aus dem Grunde nicht, weil die Perſon des Grafen von jeher der Brennpunkt weiſer Berechnungen töchterreicher Mütter und heirathsfähiger Baxroneſſen und Comteſſen geweſen war. Und wie ſeltſam ſind die Frauen! Die Wahl der ho<hmüth:gen, unſcheinbaren Fürſtin Melnikoff hätte man ihm ſogar mit einem gewiſſen Stolze verziehen, die der ſchönen, liebenswürdigen Sängerin dagegen nim=mermehr. Freiberg aber wollte es erzwingen, ſeine zu=künftige Gemahlin im Vollbeſiß der öffentlichen Hochachtung zu wiſſen, deshalb ſ<hmerzte die wunde Stelle von Tag zu Tag heftiger in ſeiner Bruſt und machte ihn un=gerecht, ja zuweilen bitter gegen die hohen geiſtigen Vor=züge ſeiner Verlobten.

Am meiſten empfindlich zeigte ſi<h Frau v. Paſſevini, obwohl dex Graf gerade ihr gegenüber Alles that, die gewohnte Lieben8würdigkeit zurückzurufen. Die junge Marz cheſa wax angelangt, aber von der Reife, wie thre Tante mit ſichtlichem Fröſteln berichtete, ſo angegriffen, daß ſie ſich ſeit länger als a<ht Tagen menſ<henſcheu in ihren Zimmern verſchloß und auch jebt no< nicht die geringſte Miene machte, dieſe Pönitenz aufzuheben. Herr v. Paſſevini verſuchte zwar in gewohnter Weiſe den Muth ſeiner Gattin zu erheben, aber ſie blieb bei der Behauptung: ein Geſpenſt gehe fortan in ihrem Hauſe um, infolge deſſen ihr Nervenſyſtem binnen kurzer Friſt dem völligen Ruin anheimfallen müßte. Natürlih ſpannten ſolche Aeuße= rungen die Erwartungen Aller auf's Höchſte. Es bil= deten ſich zuleßt zwei Parteien, deren eine in-dex jungen Marcheſa einen Phönix an Schönheit und Talenten pro-