Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

64 Der Taliman des Weibes.

phezeite, während die andere ſie als einen gelangweilten, häßlichen, arroganten Blauſtrumpf im Voraus verſchrie. —

Weihnachten war inzwiſchen herangerü>t. Man feierte den heiligen Abend. Auch Dreyſing befand ſi<h unter denen, welche mit beſonderem Eifer von Laden zu Laden eilten, lieben8würdige Ueberraſhungen der großen Alz gemeinfreude beizufügen.

Schon in der Frühe betrat der Juſtizrath Jrmengard's Wohnung. Die junge Frau verbarg bei ſeinem Anbli> haſtig eine bunte Sti>erei, ſprang auf und hieß ihn freudig willkommen.

„Da ſind Sie! Drei lange Tage haben Sie ſi<h un= ſichtbar gemacht, ſeit vorgeſtern hat ſi< auch Freiberg niht mehr ſehen laſſen. Wenn ih nicht die Eliſabeth im Kopf gehabt hätte, wäre ih vielleicht kopfhängeriſch ge= worden. Ach, ih Thbrin! Sehen Sie ſi endlich!“

Dreyſing entging das eigenthümlich erregte Zu>ken ihrer Lippen nicht, obwohl ſie es in ein Lächeln zu kleiden wußte.

„Jh komme mit der Bitte,“ ſagte ex, „heute Abend Shr Gaſt ſein zu dürfen. Kommt der Graf nicht auch ?“

„Freilich, und wix wollen fröhlich ſein, recht fröhlich! Denn ſehen Sie, lieber Dreyſing — aber lachen Sie mich ‘einmal tüchtig aus — manchmal ertappe ih mi< auf einex Neigung zur Melancholie.“

„Alle Bräute ſind melancholiſch,“ ſagte der Juſtizrath troden, „denn ſie ahnen bereits ihre Thorheit, das Wohl und Wehe einer ganzen Familie auf ſi geladen zu haben. Wenn Sie mix do< endlih glauben wollten, daß das