Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

70 Dex Talisman des Weibes.

„Ach, ih vergaß ſie, in meinem Zimmer,“

„Bleib? oben ,… bleib? oben, ih hole ſie felbſt!“ Die junge Frau ſprang hinaus, dur< den Vorſaal in die Entrée. Es that ihr wohl, das Mißbehagen in ihrer Bruſt durch Thätigkeit betäuben zu können. Plöblih ſtand ſie horchend ſtill. Da tappte Jemand unſicher die Treppen= ſtufen hinauf, gleih darauf ein Fall, und ein gellendes Kindergeſchrei tönte an ihr Ohr. Zwar rief Jrmengard ihrer Gewohnheit gemäß zuerſt „Suſanne!“ aber zugleich riß fie auh die Thüre nah dem Flux auf. Ein fläg= licher Anbli> bot ſich dar. Zwei keine Knaben, vont denen der Jüngere auf dem Boden lag, weinten um die Wette. Sie waren gut, aber über alle Maßen nachläſſig getleidet, und das Taſchentuch, womit der Aeltere dem kleinen BrU= der die Thränen abzutro>nen bemüht war, zeigte die Lez gründetſte Sehnſucht nah Waſſer und Seife.

Was macht Jhr denn?“ fragte die junge Frau faſt in Verlegenheit, denn ‘ſie hatte nie Umgang mit Kindern gehabt.

„Willy iſt hingefallen, als ih ihn hinauftragen wollte,“ ſ<lu<hzte der ältere Knabe laut.

„Blute!“ rief der Kleine jämmerlich dazwiſchen, n= dem er an ſeine Stirn griff.

Jrmengard trat näher. „Wahrhaftig, eine tüchtige Schramme! Armer Schelm! Und am Chriſtabend! Warum ſeid Jhr nicht bei Euren Eltern?“

„Papa gibt no< Stunden — ſei till, Willy, ah Willychen , ſei doch ſtill |"

„Und Euxe Mutter? Suſanne, bringe ſ{<nell Waſſer!