Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

72 Dex Talis8man des Weibes.

„Sollt Jhr denn den ganzen Abend allein bleiben, Fhr armen, lieben Dinger?“

„Papa kommt bald, Jette auh. Jh wollte nachſehen, aber dex Willy mag niht allein bleiben, er läuft immer mit, und als i< ihn hinauftragen wollte, hat er mi gekißelt, und da ſind wir Beide hingefallen.“

Jrmengard’s leicht bewegliches Gemüth trieb ſie ſhon die Trepþe hinauf, obwohl Suſanne Einwendungen machte. Die Thüren zu aïllen Räumen ſtanden weit offen, Alles war unbeleuchtet und dur<hkältet, nur im Kinderzimmer brannte eine Lampe mit zerſprungenem Cylinder und zer= brochener Glo>e. Jn einem hübſch gearbeiteten Bettgeſtell, deſſen Sproſſen hin und wieder ausgebrochen waren, ſtand eine elfenzierlihe Geſtalt im rothen Nahtröëkchen. Das krauſe, blonde Haax umtanzte wirr die feine Stirn und der kleine Mund ſtammelte unverſtändliche Laute, die in Jauchzen endeten, als die glänzende Erſcheinung der Künſtzlerin das dämmerige Gemach zu erhellen ſchien. „Mama! Mama !“

Es ging ein wunderſames Gefühl dur< die Bruſt der kinderloſen Frau, als ſie die beiden Worte ſih entgegen= rufen hörte, wie wenn eine tief verborgene Saite plößlich berührt wird. Selbſt die Dazwiſchenkunft eines unſauber getleideten alten Weibes konnte das ſ<hmerzlih-ſüße Lä-= eln niht von Jrmengard’s Lippen ſcheuchen, womit ſie ſich über das ungeduldig hüpfende Kind neigte.

„Du willſt zu mix kommen? Ja, gewiß, ih nehme Dich mit!“

„Wer ſind Sie denn, ſ{hönes Fräulein?“ brummte die