Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

Roman von Georg Hartwig. 73

Alte halb neugierig, halb verdrießlich, während ſie ver= ſuchte, Jrmengard von der Wiege fortzudrängen. „So, fo, die Sängerin von unten! Ja, das glaube ih, wer's fo haben fann! Dies ſind die Kinder vom Doktox Mechel= - mann, unter meiner Aufſicht.“

„Wo iſt denn Jhre Frau?“ miſchte ſi<h Suſanne ſpih dazwiſchen.

„Jm Club der Freien,“ lachte die Alte dreiſt. „Heule Hält ſie einen Vortrag. All’ die Tage iſt gelernt worden, bis ſämmtliche Kinder weinten, weil ſie keine Mahlzeit erhielten, und der Herr Doktor aus dem Hauſe lief. Wo ſind die Jungen? Sie ſollen gleich herauffommen, Jungfer, ehe der Papa nah Hauſe fommt.“

„Zh werde es bei Herrn Mechelmann verantworten, {wenn ich ſeinen drei Kleinen den Chriſtbaum drunten zeige, “ fiel Jrmengard mit ihrer hohfahrendſten Miene ein, wähz= rend ſie der Wärterin ein Geldſtück in die Hand drückte. „Kein Wort mehr! Suſanne, nimm die Kleine jeßt!“

„Aber gütiger Himmel, Fräulein, ſie hat ja faſt gar ni<ht1s auf dem Leibe! Nicht einmal ein Unterrökchen!“

„Wenn man im Bett liegt, brau<ht man keinen Staat !“ feifte Frau Jette und ſ{leppte aus einem Win= fel einen Arm voll Kindergarderobe herbei. „Da hiex, fomm, Anni!“

„Suſanne, ziehe das Kind an!“ befahl Frmengard, welche vox dem Branntweinduft der Alten Ekel und Abſcheu empfand. „Warum zünden Sie wenigſtens kein Feuer im Ofen an? Das arme Ding wird ſi<h exkälten !“

„Ach nein, die Frau Doktox verxzärtelt die Kinder nicht