Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

34 Dex Talis3man des Weibes.

Deinen rothen Wangen, Gretchen, und doch gibt es unzühlige Frauen, die einen magen=- oder leberkranken Teint für eine abſonderlihe Schönheit halten. Ach, dann ſind ſie ſo zart, ſo ätheriſh, ſo märchenhaft, daß verſtändige Leute nux den Wunſch empfinden, ſie möchten ſich lieber ganz und gar verflüchtigen, Und die betreffenden Che= männer, das kannſt Du mix glauben, Kind, hätten da=gegen nicht das Geringſte einzuwenden. Jebt ſchlafe aber, Kind, und lache niht!“

„O, Tante Käthe, wie drollig Du ſein kannſt!“ rief die junge Frau ihr erheitert na<. Dann legte ſie gehoxſam den Kopf tiefer in die Kiſſen zurü> und gab fi alle erdenklihe Mühe, einzuſchlafen. Aber wie feſt ſie auch die Lider ſ{<loß, wie regungslos ſie verharrte, der exſehnte Schlummer wollte niht nahen. Dafüx wurden ihre Gedanken immer lebendiger, in unabſehbarer Kette führten ſie jeden einzelnen Tag ihrer jungen Ehe zurüd> und ſenkten ſtatt Ruhe Freude und Seligkeit in Marz gavethens Herz.

Wie waren doch jene leßten Monate in Sittlingen ſo reih an ſtillem Glü> geweſen, wie dankbar hatte ſie es empfunden, daß Meiſchi> nie den geringſten Verſuch ge= macht, ſie zur Annäherung an ihr unſympathiſche Famiz lien zu zwingen, während ex ſelbſt feinen geſellſchaftlichen Verkehr auf die dienſtliche Nothwendigkeit beſchränkte. Kein böſes Wort, nicht einmal ein Meinungsunterſchied trübte je die Harmonie ihres Bundes, die junge Frau fand ja ihren Stolz darin, dem Geliebten unbedingten Gehorſam zu leiſten. Emſig las und ſtudixrte ſie in den