Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 3.

92 Dex Tali8man des Weibes.

indem ex die Stirn ſeiner Gattin mit den Lippen leicht berührte.

„Eine unglü>liche Liebe !“

Hier ward das Zwiegeſpräch dux< das Erſcheinen der erſten Gäſte unterbrochen.

Einige Zeit ſpäter bewegte ſi<h die plaudernde, ge= ſhmüd>te Feſtgeſellſchaft vollzählig in den Gemächern. Das Erſcheinen des Gra’en Freiberg erregte eine gewiſſe Aufz merkſamkeit. Man fand ihn bleicher als gewöhnlich, und ernſter. Er mußte abermals die Erfahrung machen, daß die junge Fürſtin Melnikoff, welche im Kreiſe der jüngeren Damen den Ton angab, mit einem undefinixrbaren Wider= ſtreben in Wort und Miene ihn gewiſſermaßen als aus= geſtoßen kennzeichnete.

Frau v. Paſſevini, an der Seite ihres Gaſtes, des Prinzen Liebenſtein, ſtand troß des lieben8würdigen Lä= <elns, welches ihre Lippen umſpielte, wie auf Kohlen. Eine Minute nach der anderen verſtri<h, und die Marcheſa erſchien nicht. Die fragenden und erſtaunten Blicke der er= wartungsvollen Geſellſchaft begannen ſi<h allgemah wie Dolchſpiben in das Herz der allem Eklat ſo feindlich gez finnten Baronin zu bohren. Der Prinz, durch Zufall in Kenntniß geſeßt von der Anweſenheit einer Anverwandten ſeiner ſ{<önen Wirthin, wandte ſich ſoeben bedauernd zu dieſer.

„Mir ſcheint, Frau Baronin , wir müſſen für heute das Vergnügen entbehren —“

Da öffneten ſich die Flügelthüren. Frau v. Paſſevini athmete auf vor Erleichterung, während ſich über die ganze