Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

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E Unter einem Dache.

Nyx die Waſſer rauſ<hten, die Erinnerung aber wachte und we>le längſt Vergangenes aus dem Schlummer. Bertha war, nachdem die Freundin ſie verlaſſen hatte, auf den Bettrand zurü>geſunken, als ſei der Bliß vor ihr niedergefahren. Regungslos, wie verſteinert hörte ſie die leiſen, verhallenden Schritte und murmelte nur ein paarmal vor ſih hin: „Jhr Gatte! Jhr Gatte!“ als müſſe ſie ſich dieſe unerwartete Enthüllung erſt verſtändlich machen, allmählig das Unglaubliche zu faſſen verſuchen. Es \var ihr ja kein Geheimniß geblieben, daß die Freundin fi in jungen Jahren verheirathet hatte, daß die Che feine glüdliche geweſen war, und daß ihr Gatte, Baxon v. Straaten, nach einem Jahre des Zuſammenlebens ſeine junge Frau verlaſſen hatte. Seitdem war faſt ein Jahr= zehnt vexrfloſſen, und von der Che=Tragddie, welche Emilie ſo früh durchlebt, von dem Manne, deſſen Namen ſie trug, var ſo wenig die Nede geweſen, daß Bertha es niemals verſucht hatte, ſich ein Bild von dem verſchollenen Gatten der Freundin zu machen oder die Urſache feiner jähen Entfernung zu ergründen. Wenn ſie jemals ſeiner ge dachte, ſo empfand ſie eine gewiſſe dankbare Zuneigung für dieſen ſchattenhaften Ehemann, der niemals aus ſeinem Dunkel auftauchte und doch Emilie an einer Wiederver= heirathung hinderte, denn der hübſchen Frau, die übex ein beträchtliches Vermögen verfügte, hatte es*niht an Be= werbern gefehlt, die aber Alle mit der Erklärung: dex Plak, den ſie begehrten, ſei nicht frei, verabſchiedet wurden. Für Bertha aber lag in dem Zuſammenleben mit Emilie das einzige Glü>, das ſie je gekannt. Sie hatte