Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens : mit Original-Beiträgen der hervorragendsten Schriftsteller und Gelehrten. Bd. 6.

226 _ Wiener Walzer.

gemäß bis auf die Kunſt. Als darum die Muſik zu Ende des verfloſſenen Jahrhunderts in Wien einen ſo gewaltigen Aufſchwung nahm, kam ſie dem Deutſchthum zuerſt am wenigſten zugute. Sie ſollte eben nux die Menuets und Quadrillen begleiten, welche Hof und Adel damals in Wien allgemein tanzten. Selbſt Haydn und Mozart ſtehen no<h unter dieſem Cinfluß. Die Tanzſtüce, welche fie fomponixrten, athmen bei all’ ihrer Schönheit und Uxrſprüng=lihfeit nichtsdeſtoweniger eine gewiſſe Vornehmheit, welche der deutſche Tanz des Volkes zu jener Zeit am aller= wenigſten kannte.

Allerdings tanzte man damals ſelbſt in der vor nehmen Geſellſhaft einen Walzer, der aber mit dem modernen Tanze dieſes Namens, wie er ſih aus dem ux= alten Ländler der Gebirgsbewohner entwidtelte, nicht die mindeſte Aehnlichkeit hatte. Jn einer Oper Martini's: „Una cosa rara“, ‘welche damals viel bewundert wurde, tanzten ihn vier Damen als Einlage. Das gefiel ſo, daß ſofort die vornehme Geſellſchaft Wiens dies Beiſpiel nah= ahmte.

Es war allerdings ein deutſcher Tanz, der uralte bäue= riſche „Langaus“, welchen der wälſche Kombponiſt - hier mit fremdem Aufpuß in ſeiner Oper ausſtaffirt Hatte. Abex ſein eigentlicher volksthümlicher Charakter war da= durch bis zur Unkenntlichkeit entſtellt worden. FÜr ger= maniſchen Urſprungs konnte ex ebenſo wenig gelten, wie die „deutſchen Tänze“, welche ſich gleichfalls in jener Zeit einer großen Beliebtheit erfreuten. Denn dieſe waren wiederum aus der „Allemande“ hervorgegangen, einem